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Bruce Sterling Pedersen, Ingenieur und Mathematiker, Pilot.
Bruce Sterling Pedersen, Ingenieur und Mathematiker, Pilot.

Trail, Protokoll #8: Poesie des Mechanischen#

(Archipel Gleisdorf)#

von Martin Krusche

„Ich weiß ja, was ein Tragflächenprofil in der Luft bewirkt“, sagte ich zu Bruce Pedersen, „aber zugleich ist es mir ein Rätsel. Eine Magie, daß Flugzeuge fliegen.“ Er lächelte. Bruce hat einen Teil seines Lebens als Frachtflieger zugebracht, weiß daher aus dieser Position, was Aerodynamik an Gegenständen bewirkt.

Menschen und Dinge sind dabei kuriosen Kräftespielen ausgesetzt. Wir staunen bloß kaum noch darüber, weil es so selbstverständlich zu sein scheint, daß meistens alles funktioniert. In meinem manchmal etwas quälenden Interesse für Quantenphysik steht unter anderem diese Frage im Raum: Weshalb gibt es Gravitation und was ist Schwerkraft überhaupt?

So viele Unklarheiten! Das beginnt für mich schon bei Hebeln. Hängen Sie ein größeres Gewicht an den kurzen Teil eines Hebels und drücken sie auf den langen Teil jenseits des Angelpunktes. Kein Problem!

Machen Sie es umgekehrt und hängen das Gewicht an den langen Teil des Hebels, schaffen Sie es nicht, die Last wegzuheben. Weshalb ist das so? Was wirkt da? Man kann es mit einer Formel darstellen, aber die Erklärung in Worten bleibt unbefriedigend.

Ich habe mit Bruce begonnen, eine „Poesie des Mechanischen“ zu besprechen und möchte das zusätzlich zum hier schon bestehenden Schwerpunkt einer literarischen/künstlerischen Poesie entwickeln. Poesie im Sinn der ursprünglichen Wortbedeutung von „Poiesis“. (Poietische Arbeit dient dem Produzieren von etwas, das vorher noch nicht da war.)

Fotograf Richard Mayr.
Fotograf Richard Mayr.
Galerist Karl A. Irsigler
Galerist Karl A. Irsigler

Es geht mir darum, das Gemeinsame beider Felder zu erkunden, weil in der Antike das Wort „téchne“ gleichermaßen ein Begriff für das Verständnis von Handwerk, Kunst und Wissenschaft war. Also müssen da gemeinsame Quellen sein, aus denen bis heute geschöpft wird, egal, in welchem Metier.

Ich bin mit Fotograf Richard Mayr in beiden Hälften dieser wachsenden Erzählung unterwegs. Eben hatten wir in Wien zu tun, wo Galerist Karl A. Irsigler derzeit eine Fotoausstellung vorbereitet. Der Kunstexperte ist entsprechend auch ein versierter Kenner des Kunstbetriebs, womit ich speziell den Kunstmarkt meine. Dieses Genre ist ja ein beliebter Anlaß für romantische Verklärungen aller Art.

Reinhard Tötschinger
Reinhard Tötschinger

Die wiederum belasten naturgemäß viele Arten des kulturellen Engagements, denn falsche oder untaugliche Ausgangspunkte können zu keinen relevanten Ergebnissen führen, wobei dann auch noch Ressourcen nutzlos verbrannt werden.

Es ist für uns im "Archipel Gleisdorf" daher günstig, auch mit einem Profi des Metiers sprechen zu können, denn ich bevorzuge in meiner Arbeit zwei Fragen besonders. 1.: „Was ist eine gute Frage?“ und 2.: „Was ist der Fall?“

Dieser Besuch ergab übrigens eine zufällige Begegnung mit Reinhard Tötschinger, der in mehreren Genres tätig ist. Das reicht von der Literatur (jüngst mit dem Roman „Rochade“), über Schauspiel und Film, bis zu einer Postion des Bereichsübergreifenden. Zitat: „Das Zusammenführen unterschiedlicher Welten prägt mein Leben: Kunst und Wirtschaft, Praxis und Theorie, Psyche und Soziales, Kultur und Organisation.“

Darin ein spezieller Akzent, denn es zeigte ich, daß Tötschinger sehr viel Engagement in einen Youngtimer gesteckt hat. Der Peugeot 504 mit dem Design aus dem Haus Pininfarina kam 1968 auf den Markt.

Der Wagen ist ein gutes Beispiel für jenes Understatement, welches ihn fast unauffällig erscheinen läßt, bis man begreift, daß der Klassiker aus jedem Blickwinkel sehr gut aussieht. Genau das, was man von einer gelungenen Skulptur erwartet. Ich hab da ja mit Irsigler wiederholt ein Thema, speziell am Beispiel der frühen 911er Porsches.

Der 504er in Arbeit.
Der 504er in Arbeit.
Ein 911er in freier Wildbahn.
Ein 911er in freier Wildbahn.

Ein formal völlig unverwechselbares Fahrzeug, von Ferdinand Alexander, dem Sohn von Ferry Porsche, gestaltet. Richard Mayr und ich hatten uns dem Thema im Sommer 2023 (anläßlich des 60ers dieses Typs) gewidmet. Kurioses Detail, bei der Rückreise von Wien hatte ich plötzlich einen alten 911er neben mir.

Das verweist zugleich auf ein weit unterschätztes Genre, nämlich „Volkskultur in der technischen Welt“, wie sie Kulturwissenschafter Hermann Bausinger vor Jahrzehnten beforscht und beschrieben hatte. Genau! Schrauber und Sammler sind ein praktisches Beispiel dafür. Damit bin ich auch wieder beim Einstiegsthema: Die Poesie des Mechanischen. Aber dazu mehr in der (Fortsetzung)!

Postskriptum#

Mit der Poesie des Mechanischen meine ich hier genau nicht die neuen selbstlernenden Systeme, die sogenannte KI, wie sie etwa per ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer) Texte und Bilder raushaut, sondern einen grundlegenden Zusammenhang, wie er seit der Antike debattiert wird und dokumentiert ist. Vom Mechanismus, der vor Antikythera gefunden wurde sowie der Theatertechnik „Deus ex machina“ bis zum Ende der Dampfmaschinen-Moderne.