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Paul Divjak: Winken#

Bild 'Divjak'

Paul Divjak: Winken. Hommage an eine bewegende Geste. Edition Atelier Wien. 56 S. ill., € 15.-

"Beim Winken handelt es sich nicht nur um eine simple Handbewegung, sondern um eine ganz besondere leiblich-sinnliche Erfahrung. Es ist ein Ausdruck von Liebe, Freude und Verbundenheit, der uns daran erinnert, dass wir Menschen auf eine Weise miteinander kommunizieren können, die jenseits von Worten liegt. Es ist eine Geste, die uns verbindet und uns in einem Augenblick der Entfernung einander näher bringt," schreibt der Kultuwissenschaftler und Künstler Paul Divjak. Der Autor, der an der Universität für Angewandte Kunst Wien über Sinneswahrnehmung und Systembewusstsein forscht, hat 140 Arten des Winkens erkundet.

Seine Hommage an eine bewegende Geste handelt vom achtsamen, aggressiven, angedeuteten, ängstlichen, anmutigen, ansteckenden, aufdringlichen, aufgeregten, aufgesetzten, aufmunternden, autoritären, banalen, bedeutungslosen, bedeutungsschweren, begeisterten, belustigten, bemühten, berührenden, bescheidenen, bestimmten, betrunkenen, dankbaren, demonstrativen ,dezenten, eindrucksvollen, einfühlsamen, einladenden, emotionalen, empathischen, energischen, enthusiastischen, erleichterten, ermüdenden, ermutigenden, euphorischen, extrovertierten, fanatischen, fehlgeleiteten, forschen, freimütigen, freudvollen, freundschaftlichen, frivolen, fröhlichen, gefühllosen, gefühlvollen, gehemmten, gemeinschaftlichen, gespielten, gewohnheitsmäßigen, glücklichen, glückseligen, gutherzigen, harmonisierenden, heilenden, herzerwärmenden, herzlichen, herzöffnenden, hilflosen, historischen, hoffnungsvollen, höflichen, innigen, inspirierenden, intuitiven, ironischen, irren, irritierenden, karikierenden, koketten, komischen, lapidaren, lasziven, lauten, lebensfrohen, leeren, leidenschaftlichen, leisen, liebevollen, melancholischen, missverständlichen, mysteriösen, mitreißenden, musterhaften, nicht enden wollenden, peinlichen, poetischen, präpotenten, rätselhaften, respektvollen, ruhigen, rührenden, sanften, schamlosen, scheuen, selbstvergessenen, spielerischen, spirituellen, spontanen, strahlenden, sympathischen, traditionellen, tränenreichen, traurigen, trostspendenden, übermütigen, überschwänglichen, unbeholfenen, undeutlichen, unermüdlichen, unheimlichen, unkontrollierten, unverbindlichen, unverschämten, unverstandenen, verbindenden, verbotenen, verhaltenen, verheißungsvollen, verliebten, verlogenen, verlorenen, verordneten, verschwörerischen, versöhnlichen, versteckten, versuchten, vertrauensvollen, verträumten, vertrauten, verwandtschaftlichen, verzückten, verzweifelten warmherzigen, wilden, wirren, wohltuenden, zarten und zärtlichen Winken.

"Winken ist eine der einfachsten und doch prägnantesten Formen der nonverbalen menschlichen Kommunikation. Die Geste existiert in nahezu jeder Kultur und Gesellschaft der Welt," weiß der Autor. Zeichnungen von Jorghi Poll illustrieren seine Überlegungen. Als ersten begegnet man den Teletubbys aus der um die Jahrtausendwende entstandenen Fernsehserie für Kleinkinder. Ihre Episoden enden stereotyp mit einem "Winke-winke". Dann zitiert er aus Johann Nestroys "Einen Jux will er sich machen" (1842): "Er weiß nicht, soll er dem folgen, der ihm gewinkt, oder dem, der ihm gewunken …". Wer winkt, will zeigen, dass er keine Bedrohung darstellt. In der offenen Handfläche findet keine Waffe Platz. Die Geste wird zur Friedensbotschaft.

"In der heutigen Welt, in der wir oft über Bildschirme kommunizieren, gewinnt das Winken an Bedeutung", hat Paul Divjak beobachtet. Es drückt Nähe und Verbundenheit aus, obwohl physische Distanz besteht. Das Apple-Emoji "Wafing Hand" symbolisiert die winkende Hand. In der Popkultur und in der Geschäftswelt ist die Geste ebenso präsent. Sänger dirigieren das synchrone Winken des Publikums bei Live-Konzerten. Die freundlich lächelnde, stets winkende Katze Maneki-neko soll nicht nur in Asien Wohlstand bringen und Unglück fernhalten.

"Werfen wir einen Blick auf die Bilder des Winkens der Gegenwart, so zeigt sich, wie sehr das ikonografische Potential der Geste unsere Sehgewohnheiten prägt. … Auf allen Kanälen wird immerzu gewunken. … Die Geste des Winkens wird anlässlich eines gesellschaftlichen Zeremoniells zumeist von marionettenhaftem Automatismus bestimmt." Als Beispiel dient dem Kulturwissenschaftler das royale Winken von Queen Elizabeth II. Sieben Jahrzehnte Regentschaft führten zur "formalen Unbewegtheit bei der pedantischen Ausführung einer manirierten Bewegung." Eine Zeichnung illustriert die charakteristische Handbewegung. Das Publikum kennt das Ritual und nimmt die ihm zugedachte Rolle ein. Von Emotion ist kaum etwas zu spüren. Dabei ist das Winken ein sehr persönliches kommunikatives Signal, man denkt an Abschied oder Ankunft.

"Beim Winken handelt es sich um ein stilles Lebenszeichen, einen vitalen Ausdruck/Marker unserer körperlich-leiblichen Präsenz. Das Winken ist sinnlich-motorische Bestätigung unseres Da- und In-der-Welt-Seins - im Miteinander, in der Gemeinschaft", fasst Paul Divjak zusammen und schließt: "Winken wir, leben wir. Und: Wer winken kann, ist noch nicht verloren."

hmw