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Physik-Nobelpreis für Erforschung von Schwarzen Löchern #

Dunkelste Geheimnisse und exotische Objekte: Nobelpreis für Physik 2020 für Theorie und Nachweis Schwarzer Löcher.#


Von der Wiener Zeitung (7. Oktober 2020) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Eva Stanzl


Der Nobelpreis für Physik 2020 geht zur Hälfte an den britischen Mathematiker und Physiker Roger Penrose "für die Entdeckung, dass die Bildung Schwarzer Löcher der Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie" folgt. Zur anderen Hälfte geht die Auszeichnung an den deutschen Astrophysiker Reinhard Genzel und die US-Astronomin Andrea Ghez für "die Entdeckung eines supermassiven kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie". Das gab die Königlich-schwedische Akademie in Stockholm Dienstagmittag vor Corona-bedingt 30 statt wie üblich 90 Anwesenden bekannt.

Schon der englische Naturphilosoph John Michell (1724-1793) vermutete den Einfluss der Gravitation auf das Licht. Er spekulierte über Objekte im Universum, die eine derart hohe Anziehungskraft besäßen, dass ihnen sogar Licht nicht entkäme. Um sie zu erschaffen, müsse man die Erde auf die Größe einer Erbse schrumpfen, postulierte Mitchell.

Erste Hinweise auf Schwarze Löcher fand Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. So recht daran glauben wollte er aber doch nicht. Erst Roger Penrose (89) erbrachte 1965 - zehn Jahre nach Einsteins Tod - den Nachweis, dass diese mysteriösen massereichen Gebilde tatsächlich Einsteins Theorie entsprechen.

Der britische Mathematiker und Physiker habe "geniale mathematische Methoden" verwendet, um zu beweisen, dass Schwarze Löcher eine direkte Folge der Relativitätstheorie sind und letztendlich nicht mehr und nicht weniger gezeigt, als "dass Schwarze Löcher wirklich existieren", sagte David Haviland, Vorsitzender des Nobel-Komitees für Physik bei der Verkündigung: Sie sind eine natürliche Konsequenz der Relativität.

Penrose lieferte auch eine detaillierte Beschreibung: "In ihrem Herzen verbergen Schwarze Löcher eine Singularität, in der alle bekannten Naturgesetze aufhören", so das Nobelkomitee, das seinen Artikel als "bahnbrechend" bezeichnete, der nach wie vor als "der wichtigste Beitrag zur Allgemeinen Relativitätstheorie seit Einstein" gelte.

Die Zeit steht still#

Laut Relativitätstheorie existiert ein unendlicher Zusammenhang zwischen Schwerkraft und Zeit. Wo die Füße am Boden stehen, vergeht die Zeit jede Stunde um eine Trillionstel Sekunde langsamer als im Kopf. Der Ereignishorizont eines Schwarzen Loches ist noch exotischer: "Ich kann auf ein Schwarzes Loch mit dem Finger zeigen und sagen: Dort ist das Zentrum. Lasse ich meine Fingerspitze jedoch durch den Ereignishorizont wandern, bewegt sich die Fingerspitze in die Zukunft. Den Finger wieder herauszuziehen, ist so schwierig wie eine Reise in die Vergangenheit", erklärte Ulf Danielson, Professor für theoretische Physik der Universität Uppsala: "Im Zentrum endet die Zeit und die Gesetze der Physik sind nicht länger anwendbar."

Doch wenn solche Objekte tatsächlich existieren, wie würde man sie finden? Auch hierzu hatte John Mitchell 1783 eine Idee: Wenn andere, leuchtende Objekte, wie etwa Sterne, um das Schwarze Loch kreisen würden, ließe sich aus ihren Bewegungen auf seine Existenz schließen.

Es sollte noch mehr als 200 Jahre dauern, bis eine solche Beobachtung gelingen sollte. Reinhard Genzel (68) und Andrea Ghez (55) und ihre Teams drehten Teleskope hin zum 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Zentrum der Milchstraße, das sich in einer dichten Staubwolke verbirgt. Erst im Infrarot-Bereich gab es seine Geheimnisse preis: Zahlreiche Sterne bewegten sich um etwas, das die Forschenden nicht sehen konnten. Besonders ein Stern erweckte ihre Aufmerksamkeit. Er benötigte 16 Jahre für seinen Orbit und seine größte Nähe zu dem unsichtbaren Objekt waren 17 Lichtstunden.

"Den Berechnungen zufolge verstecken sich in dem unsichtbaren Objekt vier Millionen Sonnenmassen. Die einzige Erklärung ist ein supermassives Schwarzes Loch", schloss Danielson seine Erklärungen ab: "All dies ist nicht bloß ein altes Abenteuer, das einen gloriosen Triumph erfährt, sondern etwas Neues. Je mehr wir über Schwarze Löcher herausfinden, desto faszinierendere Geheimnisse könnte die Natur offenbaren."

Die drei Physik-Nobelpreisträger hätten ein Stück weit Licht in "das dunkelste Geheimnis des Universums" gebracht. Das sagte der Generalsekretär der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften, Göran Hansson.

Sir Roger Penrose, geboren am 8. August 1931 in Colchester, Essex, war Professor an der Universität Oxford. Seine Arbeiten auf den Gebieten der mathematischen Physik und der Kosmologie sind hoch geachtet. Er hat sich auch in zahlreichen populärwissenschaftlichen Büchern zu Themen der Philosophie geäußert.

Erst die vierte Frau#

Reinhard Genzel, geboren am 24. März 1952 in Bad Homburg vor der Höhe, ist Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching bei München. Der Astrophysiker war maßgeblich an der Entwicklung der Infrarot-Astronomie beteiligt.

Andrea Ghez, geboren am 16. Juni 1965 in New York City, ist Professorin für Astronomie an der University of California in Los Angeles. Am Keck-Observatorium auf Hawaii konnte sie, so wie das Team um Reinhard Genzel, die Bewegung der Sterne im Zentrum der Milchstraße beobachten. Das führte zum Nachweis des supermassereichen Schwarzen Lochs.

Mit Ghez wird die erst vierte Frau mit der Auszeichnung gewürdigt. In einer ersten Reaktion zeigte sie sich "begeistert". Dass sie diesen Preis erhalte, bringe für sie auch viel Verantwortung mit sich. Sie hoffe, "andere junge Frauen für das Feld begeistern zu können". Es gebe auf dem Gebiet noch jede Menge zu tun, so die US-Forscherin. Immerhin wisse man noch keineswegs, was in Schwarzen Löchern passiert. Klar sei lediglich, dass in diesen wichtigen "Bausteinen des Universums" die "Gesetze der Physik zusammenbrechen".

Wiener Zeitung, 7. Oktober 2020