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GABY DESLYS#

Seit Jahren wird zwischen Marseille und Ober Moschtenitz in Mähren ein leidenschaftlicher Prozess geführt, der an Sensationen einiges zu bieten hat. Es handelt sich um das Millionenerbe der verstorbenen berühmten . Tänzerin Gaby Deslys der in den letzten Tagen in ein neues Stadium getreten, somit diese Tragikomödie zu einer internationalen Affäre von Seltenheitswert und für spannende Abwechslung sorgen wird.

Dem Prozess verleiht es ein besonderes Interesse, dass nunmehr das Dunkel, dass die Abstammung dieser einst berühmtesten Frau Europas umhüllt, gelüftet werden soll.

Gaby Deslys zählte zu den erfolgreichsten und viel umschwärmten Tänzerinnen vor und nach dem Krieg, stets von Affären, Sensationen und Abenteuern begleitet, viel geliebt und viel gefeiert durch die Städte Europas. Allgemein bekannt, dass ihr russische Großfürsten und Prinzen huldigten, wie auch die Vertreter der Hochfinanz. Besonders das Verhältnis mit dem König Manuel von Portugal machte sie zur europäischen Berühmtheit. Ihretwegen verlor er den Thron, sie folgte ihm in das Londoner Exil und begleitete ihn auf all seinen Vergnügungsreisen.

Kein Wunder wenn die Viel Umschwärmte später der Spionage bezichtigt wurde und im Kriegsbuch der k.k. Staatspolizei in Prag war sie unter im Ausland lebenden „hochverräterischen Staatsangehörigen“ verzeichnet.

Im September 1910 gastierte die skandalumwitterte Schönheit im Apollo Theater wo sie große Triumphe feierte. Abgestiegen ist sie im Hotel Meissl und Schadn am Neuen Markt wo sich täglich zahlreiche Neugierige versammelten um sie zu sehen. Da sie aus Paris kam, galt das Interesse diesmal der Mode, für die Wiener Damenwelt war sie in dieser Hinsicht ein Vorbild und sie wurden auch nicht enttäuscht. Selbst die Damen der Gesellschaft entzogen sich nicht dem Bann der Modekönigin. So trug sie bei ihren Spaziergängen einen Hut, der zur Sensation wurde. Die Gattin des Großindustriellen Igo Etrich, Erfinder der Etrich Taube, ging so weit eine Kopie des Hutes für sich zu beanspruchen. Dieses Vorhaben eröffnete sie ihrer Schneiderin Anna Wantoch die gleichfalls von dieser Idee begeistert war. Zur großen Überraschung durfte Frau Etrich den Hut kopieren.

Als einziges Blatt brachte die Agramer Zeitung am 29. Jänner 1912 die Meldung, dass Gaby Deslys am Freitag in London die Ehe eingegangen war.. Der Gatte ist kein geringerer als Harry Pilcer. Das junge Paar informierte ihre Verwandten erst durch Telegramme.

Obwohl Deslys Leben 1920 in Marseille durch eine Kehlkopfentzündung zu Ende ging hielt sie die Öffentlichkeit weiterhin in Atem durch ihr großzügiges Vermögen, dass sie der Stadt Marseille vermachte – 50 Millionen Franken. Einer Frau Cair in Marseille überließ sie die Nutznießung, denn Gabriele Cair hatte sie in letzter Zeit stets als ihren wahren bürgerlichen Namen angegeben und keiner hatte daran gezweifelt, dass alles der Wahrheit entsprach.

Doch bald nach ihrem Tod meldete sich ein Mann Namens Navratil aus jenem mährischen Dorf der behauptete, dass Gaby Deslys seine Tochter Hedwig sei, die einst als Jugendliche durchbrannte. Verschiedene Briefe und Dokumente legte er als Beweis vor, in diesen die Tänzerin über ihre Erfolge berichtete. Er focht das Marseiller Testament an und verklagte vor den französischen Gerichten Frau Cair wegen Erbschleicherei, denn sie habe gewusst, dass Gaby nicht ihre Tochter sei, trat sozusagen als Leihmutter auf. Nicht sie, sondern nur die Navratils hätten Anspruch auf das Erbe..

Trotz aller Beweise die die Navratils und ihr Anwalt vorlegten stockte der Prozess und nichts ging weiter. In Frankreich traute man ihren Dokumenten nicht und somit zogen sich die Streitigkeiten in die Länge, bis endlich das französische Gericht von sich aus eine eingehende Nachprüfung des Falles einleitete. Die Navratils schöpften erneut Hoffnung, jetzt musste die Entscheidung fallen.

Doch gerade jetzt begab sich plötzlich etwas Unerwartetes und die die aufkommende Hoffnung wieder zunichte machte. In Biarritz meldete sich eine Frau die behauptete, sie und keine andere sei die Hedwig Navratil, die verschwundene Tochter aus Ober Moschtenitz. Amelin der Polizeikommissar der mit dem Fall betraut war, lud Frau Navratil nach Paris ins Justizpalais ein, wo sie ihre Papiere vorlegte. Amelin war überzeugt, durch Dokumente und Zeugenaussagen hier die Person als glaubwürdig zu betrachten und war sicher, hier Hedwig Navratil, Tochter des Johann und Anna Navratil, geboren am 31. Oktober 1884 in Ober Moschtenitz bei Prerau identifiziert zu haben. Für ihn war die Sache nun beendet, die Beschwerde der Familie Navratil wurde abgewiesen. Marseille und Frau Clair triumphierten und sahen sich bereits als Sieger. Doch die Freude währte nicht lange.

Wie die so plötzlich Aufgetauchte zugab, kannte sie die Tänzerin, habe aber keinen Kontakt zu ihr gehabt.

Im Blätterwald, dessen Interesse an dem Fall schon fast erloschen war, gab ihnen durch die neue Wendung abermals Gelegenheit Nachforschungen und eventuell Sensationelles aufzudecken.

Nur drei Tage später meldete sich ein Herr Eugen Weigl aus Brünn, der die fast abgeschlossene Affäre neuerlich ins Wanken brachte.

Herr Weigl, einst Holzgroßhändler in Prerau, jetzt in Brünn, hatte schon mehrmals in Marseille zu tun und hatte die Absicht der Familie Navratil zu ihrem Recht zu verhelfen. Ausgerüstet mit den Duplikaten der notwendigen Papiere wendete er sich an den Advokaten Dupont, der die Erbschaft vertrat und war schon damals sofort zu einem Ausgleich bereit. Er ließ sich die Dokumente Weigls aushändigen und versprach sich zu melden. Doch Tage und Wochen vergingen ohne von Dupont etwas zu vernehmen.

Bei seinen nächsten Aufenthalt in Marseille suchte er daher Dupont neuerlich auf der ihn äußerst frostig empfing und erklärte, dass die Ansprüche der Familie Navratil auf die Erbschaftsmasse der Gaby Deslys zu Unrecht bestünde und Hedwig Navratil lebe. Sie könne auch in wenigen Minuten persönlich hier erscheinen.

Als Navratil gekommen war, wollte Weigl wissen ob sich die Dame auch legitimieren könne. Diese hatte alle Unterlagen sofort parat und Weigl musste zu seiner großen Überraschung erkennen, dass diese Dublikate von Tauf- und Heimatschein er einst anfertigen und besorgt hatte. Wie kam Navratil zu diesen Unterlagen?

Aber auch eine Schwester der gefeierten Künstlerin, eine ungarische Beamtensgattin Frau Borkes, geborene Navratil, hatte gegen die Stadt Marseille und gegen die Familie des Pariser Malers Viktor Hyppolit einen Prozess angestrengt hatte, mit dem sich die Pariser Blätter sehr intensiv beschäftigen.

Äußerst unhöflich wurde er von Dupont verabschiedet. Hier ging es nicht mit rechten Dingen zu. Um dieses Vermögen hat sich ein neuer Tanz, ein Komödienspiel der Erbschaftskandidaten, ein wild wirbelndes Ballett von Intrigen, Prozessen, Enthüllungen, Denunziationen entwickelt, dass man kaum noch wusste was der Wahrheit wirklich entsprach.

Es gab noch andere Menschen die über Gaby Deslys Auskunft geben konnten. Ihr einstiger Tanzpartner Harry Pilcer der 1927 mit der Pariser Revue in Berlin gastierte. Diese Gelegenheit ließen sich die Reporter nicht entgehen, denn wer kannte die schöne Tänzerin und einstige Partnerin besser als er. „Die Erinnerung an Gaby sitzt im Herzen, nicht im Mund, Sie war die gütigste und herrlichste Frau.“ so ihr berühmter Tanzpartner. „Es widerstrebt mir, über die großen Reichtümer Gabys und deren Verwendung nach ihrem Tod zu sprechen. Sie hinterließ alles den Armen, die Juwelen habe ich bei der Auktion zurück gekauft. Erlassen Sie es mir, darüber mehr zu erzählen.“

Während sich der Tänzer zurückhielt, konnte man vom Ballettmeister Negrelle mehr über die tote Schönheit erfahren. „Ja sie war immer reich, weil sie nicht bloß eine große Künstlerin, sondern auch eine der siegreichsten Frauen war. Den Grundstock ihres Vermögens erhielt sie von einem argentinischen Milliardär, namens Uzue der sie geradezu wahnwitzig mit Juwelen, besonders mit Perlen, überschüttete. Eine davon war eine sieben Reihen herrlicher Perlen deren Wert auf 14 Millionen Franken geschätzt und um die sie sehr beneidet wurde. Vom König von Portugal erhielt sie nicht einen Pfennig. Welche Rolle er in Wahrheit wirklich spielte bleibt wohl ein Geheimnis.

In Amerika erhielt die Künstlerin 5000 Dollar pro Woche, ihr Partner nur 1000 Dollar und kam für alle Ausgaben auf. Pilcer war der gebende Teil. Als sie starb bekamen die Armen ihr Vermögen, ihre Mutter das Schloss in Marseille und Pilcer bekam von ihr eine Rente von 32.000 Franken. Pilcer nahm aber nichts an und verzichtete auch auf die Antiquitäten die für das Schloss bestimmt wurden.

Die Arbeiter Zeitung bekam 1930 eine Zuschrift von einer Frau die die gefeierte Künstlerin beim Bühnentürl sehen konnte, und berichtete darüber: „...Endlich erschien der große Star und ich war ehrlich erstaunt über die wunderschöne Erscheinung: Gaby Deslys war mit vornehmer, aber einfacher Eleganz gekleidet, ihre übermittel große schlanke Gestalt und ihr Blondhaar verliehen ihr in der Tat etwas ganz Apartes...“ Im Jänner 1930 tauchte in der Redaktion der Kronen Zeitung eine Frau auf, eine in Wien ansässige Kleidermacherin, und behauptete die Halbschwester der gefeierten Künstlerin zu sein. Veronika Navratil, so ihr Name, war mit den Hatvans nicht verwandt, die Eltern längst gestorben und somit hätten sie und die Geschwister ein Chance das Testament anzufechten, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Die vorgelegten Dokumente schienen zu stimmen. All das sorgte in diesem außergewöhnlichen, komplizierten und jetzt an Sensationen schon so reichen Fall neuerlich für Verwirrung. Einige Zeit wohnte die Halbschwester Hedwig bei ihr, bis sie einen Posten als Stubenmädchen fand. Seither hatte sie von Hedwig nichts mehr gehört.

Nach dem Tod Deslys erschienen in den Zeitungen Aufrufe die Erben der berühmten Verstorbenen mögen sich melden. Auch Veronika Navratil meldete sich und glaubte beweisen zu können, dass Deslys in Wahrheit Hedwig Navratil hieß. Ein Wiener Anwalt übernahm den Fall doch infolge der hohen Kosten die sie nicht weiter tragen konnte, musste sie darauf verzichten, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen.

Inzwischen hatte sich Hedwig Navratil als rechtmäßige Erbin gemeldet. Doch Veronika Navratil wusste, dass ihre Halbschwester eine Blondine war. Jedoch die aus Biarritz war dunkelhaarig.

Da Hedwig Navratil lebte, war sie mit Gaby Deslys nicht ident. Die Navratils zogen die Klage zurück und somit blieben die Millionen um die so lange prozessiert wurde schließlich in Marseille.