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Zeit.Raum Gleisdorf
Zeit.Raum Gleisdorf

Zeichen und Sätze#

Poiesis (Ein Feuilleton)#

von Martin Krusche

Bisher haben in den zwei Slots im Gleisdorfer „Zeit.Raum“ Bilder dominiert. Text hatte erläuternde Funktionen. Das wurde eben geändert. In meiner Episode 39 sind Gedichte vorrangig, der Hauptgegenstand jener Station.

Monika Lafer hat in Vol. 40 eine Textzeile aus einem historischen Dokument entnommen, den semantischen Zusammenhang aufgebrochen, die Zeichen in eine größere Dimension gebracht, also eine Grafik daraus werden lassen, die über den ursprünglichen Inhalte nichts mehr mitteilt.

Ich mag den Begriff „Flachware“ für Blätter, die gerahmt werden können, aufgespannte Leinwände, solche Art von Exponaten. Das ist nicht despektierlich gemeint. Es bezieht sich auf eine Oberfläche, die Platzhalter nach zwei Richtungen ist. Nach vorne eben ein Platz für Zeichen, die sich der Rezeption anbieten. Dahinter ein Möglichkeitsraum, wie er für Deutungen zur Verfügung steht; auch eine Zone der Transzendenz.

Hinter all den visuellen und sprachlichen Codes sowie dem nötigen Trägermedium liegt diese nächste Welt. Kein esoterisches Phantasma, sondern einfach das, wozu uns symbolisches Denken befähigt. Also interessieren mich auch Optionen in verschiedene Richtungen. Ich hatte jüngst Gelegenheit, mit Wissenschafter Diethard Suntinger über seine Expertise in Sachen Typografie zu sprechen. Das Thema hat für mich zwei sehr attraktive Aspekte.

Diethard Suntinger
Diethard Suntinger
Stefanie Brottrager (neben Rudi Klein)
Stefanie Brottrager (neben Rudi Klein)

Einerseits soll der Schriftsatz den Leseakt begünstigen, weil das Entschlüsseln und Verstehen von Texten ein sehr anspruchsvoller Prozeß ist. Anderseits soll die gestaltete Oberfläche eines Druckwerks einen ästhetisch ansprechenden Eindruck machen. Nicht um bloß „schön“ zu sein, denn Aisthesis bedeutet Wahrnehmung. (Lesen als Wahrnehmungserfahrung auch außersprachlicher Art.)

Aus dem Zyklus „Tonnengewölbe | barrel vault“ (2022) von Stefanie Brottrager
Aus dem Zyklus „Tonnengewölbe | barrel vault“ (2022) von Stefanie Brottrager

Eine andere Richtung des Erkundens sehe ich in der Arbeit von Stefanie Brottrager. Sie widmet sich mit großer Ausdauer einzelnen Worten und kleinen Wortgruppen. Wir halten die Verfügbarkeit von Sprache für so selbstverständlich, daß die Lautbildung und der konkrete Klang eines Wortes den meisten Menschen kaum beachtenswert erscheinen. Dabei wäre zum Beispiel Lyrik ohne diese Achtsamkeit gar nicht möglich. Und selbst in der Prosa sind die Nuancen wirksam, auch wenn sie unbemerkt bleiben.

Das Bildnis von Worten, eben die erwähnt Typografie, kann als Grafik gelesen werden und wenn ich den Klang dazunehme, können auch Worte zu einer außersprachlichen Poesie werden. Man mag eventuell auch Wege gehen, die Luis Siegl aka Teglich Alois manchmal bevorzugt. Zum Beispiel, indem er die Regeln einer kodifizierten „Hochsprache“ übergeht und den emotionalen Vorrat wie auch die klanglichen Möglichkeiten von Mundart einsetzt.

Siegl ist überdies ein versierter Musiker, weiß also Klang und Rhythmus nicht bloß in der Sprache zu beachten. Und er befaßt sich mit Typografie. Sie ahnen, wohin ich gerade ziele? Unser symbolisches Denken, unsere Codes, über die wir uns mitteilen können, all die Mittel der Poesie, also der Poiesis im Kontrast zur Praxis... Als Autor, vor allem als Lyriker, muß ich mich mit all dem in einer Art Zusammenschau befassen können.

Selbstverständlich sollen da die Regeln zur Disposition stehen, brauchen wir zum Beispiel in der Kunst Spielraum, um zu überprüfen, was wir meinen und was wir mitzuteilen fähig sind. Mit eben diesen Mitteln von Kommunikation berühren wir aber auch die Grenzen zur Transzendenz.

Luis Siegl (rechts) neben Richard Mayr.
Luis Siegl (rechts) neben Richard Mayr.