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(Foto: Richard Mayr, zum Vergrößern anklicken!)
(Foto: Richard Mayr, zum Vergrößern anklicken!)

Außersprachliche Poesie#

Poiesis (Ein Feuilleton)#

von Martin Krusche & Richard Mayr

Es brauchte eine Weile, daß sich Fotografie als neues Medium durchsetzen konnte. Der technische Aufwand war - aus heutiger Sicht – enorm. In der Folge kursierte gelegentlich die Ansicht, daß nun die Malerei erledigt sei.

Dieses Motiv ist oftmals wiedergekehrt und durch aktuelles Chat-GPT-Gehampel in der Kunst eben wieder en vogue: Ein neues Medium überlagert ein altes, löscht es womöglich aus. (Derlei kulturpessimistische Deutung ging schon öfter ins Leere.)

Freilich wäre der Fotoapparat allemal ein guter Anlaß, um darüber zu reden, ob es eine „kreative Maschine“ geben könne. Diese Frage stellt sich gerade neu. Hanno Rauterberg notierte in einem seiner Essays: „Die Verquickung von menschlichen und maschinellen Eigenheiten hat eine lange Vorgeschichte.“

Unsere Mythen lassen dieses Thema mit Prometheus beginnen. Er gilt nicht bloß als „Lichtbringer“, sondern auch als Begründer der Technik. So gesehen wäre Prometheus als ein Patron der Fotografie gut geeignet,

Rauterberg stellt mit Berufung auf Moholy-Nagy fest: „Vor der Maschine sind wir alle gleich.“ Das gefällt mir und trifft auf die Fotografie sehr anschaulich zu. Es zeigt sich etwa, wenn ich vor jenem Tisch stehe, auf dem Richard Mayr einen Teil seiner Ausrüstung liegen hat. Da gilt dieser Satz ohne Einschränkung.

Aber sobald einer von uns nach dieser oder jener Kamera greift, tut sich ein kategorialer Unterschied auf. Er weiß dann, was zu tun ist, ich nicht. Das sind nämlich äußerst komplexe Maschinchen mit ihren höchst unterschiedlichen Objektiven, die teilweise deshalb sehr ausladend sind, weil optische Linsen so angeordnet werden müssen, daß ein Typ Schwächen des anderen Typs ausgleicht.

Intelligent und kreativ ist nicht das mächtige Werkzeug, sondern der Mensch, der es zu bedienen weiß.
Intelligent und kreativ ist nicht das mächtige Werkzeug, sondern der Mensch, der es zu bedienen weiß.
Im größeren Format zeigt sich, welcher Liga jemand angehört. (Richard Mayr in seinem Büro.)
Im größeren Format zeigt sich, welcher Liga jemand angehört. (Richard Mayr in seinem Büro.)

Aber dieses Zusammenspiel von eine ganzen Reihe unterschiedlicher Faktoren will von Hand reguliert werden; je nach Anlaß und Motiv. Dem folgt später am Computer, was früher in einer Dunkelkammer zu erledigen war. Schließlich muß auch noch der Druck/Abzug etwas taugen, um ein bildliches Ergebnis wie jenes am Seitenbeginn zu bringen; von dem ich hier bloß ein Abbild in geringer Auflösung anbiete.

Es war in der Geschichte der Fotografie lange Zeit ein Ringen um Anerkennung als Kunstform. Vor diesem Hintergrund fand ich es auffallend, mehr als einmal zu erleben, wie jemand angesichts der gerahmten Fotografie, die man oben sieht, sagte: „Das ist ja ein Gemälde!“

Sehen sie den Themenbogen? Natürlich macht jeder funktionstüchtige Fotoapparat Bilder. Aber Werke sind eine andere Kategorie. Ich kann nicht sagen, was in Mayr vorgeht, wenn er arbeitet. Doch ich kann sehen, was es bewirkt. Der Unterschied zur Hobbyliga wird in vielen Details erkennbar.

Sehr aufschlußreich ist allein schon die Vergrößerung eines Fotos. In einem Format von 800 x 600 Pixels gelingen auch mir allerhand ansprechende Motive. Hat ein Abzug aber 100 bis 150 Zentimeter Seitenlänge, trennen sich Spreu und Weizen schlagartig.

Dazu kommt das, was ich außersprachliche Poesie nenne. Die Fähigkeit auf visueller Ebene zu erzählen und einen individuellen Ausdruck zu formulieren. Schließlich denken wir auch nicht bloß in Worten, sondern ebenso in Bildern und Emotionen.

Rauterberg notierte an einer Stelle seines Essays „Die Kunst der Zukunft“ (Über den Traum von der kreativen Maschine) eine vorerst noch unerschütterliche Annahme: „Die Maschine kann nur abbrechen, sie kann nicht vollenden.“