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Gerald Krieghofer: Die besten falschesten Zitate aller Zeiten#

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Gerald Krieghofer: Die besten falschesten Zitate aller Zeiten. Was Einstein, Freud und Pippi Langstrumpf so niemals gesagt haben. Molden Verlag Wien. 176 S., € 22,-

Wer Reden hält, kommt kaum ohne "geflügelte Worte" aus, auch auf Todesanzeigen fehlen Sprüche selten. Je prominenter der (vermeintliche) Autor, umso besser. "Je berühmter eine Person ist, desto mehr Zitate werden ihr unterschoben. Tatsächlich ließe sich aufgrund der Menge an falschen Zuschreibungen, die eine Person auf sich vereint, ein verlässliches, alle Epochen überspannendes Berühmtheitsranking erstellen. Einstein, Konfuzius, Gandhi … wären ganz vorne, " schreibt Gerald Krieghofer. Als Sprichwortforscher fiel ihm auf, dass sich im deutschen Sprachraum, anders als im englischen, keine Institution für "Kuckuckszitate" interessierte. Seit fast einem Jahrzehnt betreibt er nun einen Blog, um diese nachzuweisen und gilt als "der" Experte auf diesem Gebiet. Jetzt hat der Parömiologe ein Buch mit hunderten Beispielen herausgebracht. Es ist amüsant zu lesen und birgt viele Überraschungen. "Falsche Zitate hat es immer gegeben, schon vor dem Internet und dem Zeitalter von Fake News. Aber in den sozialen Medien … flimmern täglich Tausende Fehlzitate über unsere Bildschirme." Versehentliche Zuschreibungen "entstehen aus einer Mischung aus Wunschdenken, Irrtum, Gedächtnistäuschung und Schlamperei".

Ein dem Physiker Albert Einstein (1879-1954) unterstelltes Bonmot lautet: "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten". Der Nobelpreisträger, der die Relativitätstheorie entwickelte, hat diesen Aphorismus nicht erfunden. Er ist in den 1980er Jahren in einer amerikanischen Gruppe anonymer Narkotiker entstanden. Sigmund Freud (1856-1939) liebte Tiere, nur keine Katzen. Dennoch unterschob man gerade ihm, dem Hundefreund, 2006 den Satz "Time spent with cats is never wasted". Sicher überliefert ist hingegen ein Brief, in dem Freud über eine Bekannte urteilte: "Ich mag sie nicht. Sie hat die Natur einer Katze, die ich ja auch nicht mag." Die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren (1907-2002) legte Pippi Langstrumpf, der Heldin ihrer Kinderbuchtrilogie, angeblich das aufmüpfige Zitat "Lass dich nicht unterkriegen; sei frech, wild und wunderbar" in den Mund. Tatsächlich stammt es aber vom Hamburger Künstler Artur Dieckmann (+ 2020), der seit den 1970er Jahren "Poesie im öffentlichen Raum" verbreitete.

Viele älteren Urhebern zugeschriebene Aussprüche gelangten erst im 20. und 21. Jahrhundert durch die neuen Medien zu Popularität. "Der heißeste Platz in der Hölle ist für jene bestimmt, die in Zeiten der Krise neutral bleiben." Das klingt nach der "Divina Commedia" von Dante Alighieri (1265-1321) wurde von den amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt (1858-1919) und John F. Kennedy (1917-1963) gerne zitiert, allerdings falsch übersetzt. Denn Dantes Hölle ist eiskalt. Apropos Kennedy: Seiner Freundin Marilyn Monroe (1926-1962) wird der Aphorismus "Gut erzogene Frauen machen selten Geschichte" unterschoben. Doch stammt er nicht von der Hollywood-Diva. Die Harvard-Professorin Laurel Thatcher erforschte das Leben der "verborgenen", tugendsamen Amerikanerinnen des 17. und 18. Jahrhunderts. Sie schrieb den Satz in der Einleitung zu einem 1976 erschienenen Artikel und verwendete ihn später als Buchtitel. Inzwischen hatte er - M.M. zugeschrieben - Karriere auf Kaffeetassen und T-Shirts gemacht.

"Be the change you want the world to see" ("Sei die Veränderung, die du sehen willst") nennt Gerald Krieghofer "das angeblich allerbeliebtete Zitat der Welt". Er kann bezeugen, dass es nicht, wie oft behauptet, von Mahatma Gandhi (1869-1948) stammt, weil er mit der Schöpferin gesprochen hat. Es war (1974) die New Yorker Pädagogin Arleen Lorrance, die in Brooklyn mit Ihrem "Love Project" erfolgreich gegen Kriminalität und Gewalt unter Schülern ankämpfte. "Nun wird ausgerechnet ein so wahrheitsliebender Mann wie Gandhi mit einer Unwahrheit geehrt. Tröstlich allein: Der große indische Pazifist hat den berühmten Satz zwar nie gesagt, aber vielleicht am besten verkörpert. Und das wohl beliebteste Zitat der Welt stammt in Wirklichkeit von einer Frau." "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin" ist ebenso wenig von Bert Brecht wie "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht". Dieser Slogan der Friedensbewegung stammt vom amerikanischen Historiker Carl Sandburg (1878–1967) aus dem Jahr 1936 und wurde drei Jahrzehnte später durch die US-Autorin Charlotte Keyes populär. Die in den1970-er Jahren kreierte Parole "Atomkraft? Nein danke" erdachte die damals 22-jährige dänische Studentin Anne Lund - aber wer kennt sie? "Der auf vielen Flugblättern und Transparenten verbreitete Spruch wurde 1978 auch zum Motto der österreichischen Atomkraftgegner:innen, die erfolgreich gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf kämpften. Später wurde er von Aktivist:innen unterschiedlicher politischer Richtungen übernommen, von der extremen Linken bis zur extremen Rechten." Das Wortspiel "Was kränkt, macht krank" könnte von Hildegard von Bingen (1098-1179) stammen. Doch die mittelalterliche Universalgelehrte schrieb in lateinischer Sprache. Der eingängige Text der Mystikerin fand erst im 21. Jahrhundert als Werbung für "Hildegard-Medizin" Verbreitung.

"Wer Visionen hat, braucht einen Arzt" soll 1988, einem österreichischen Nachrichtenmagazin zufolge, der ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) geäußert haben. In Deutschland wird der Satz dem Kanzler Helmut Schmidt (1918-2015) zugeschrieben. Beide Sozialdemokraten bestritten die Urheberschaft. Die französische Königin Marie Antoinette (1755-1793) soll gesagt haben: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen." Die zynische Äußerung ist ein Kuckuckszitat. Der Naturforscher Jean Jacques Rousseau (1712-1778) erinnerte sich in seiner Autobiographie an den Ausspruch einer "großen Prinzessin". Gerald Krieghofer weiß, dass in Russland Katharina die Große (1729-1796) so bezeichnet wurde.

Der Autor hat auch "die Top 10 der beliebtesten angeblichen Zitate" aufgelistet. Dieses zählt ebenso dazu wie "Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben." Die Weisheit findet sich sinngemäß in einem 1884 erschienenen Roman der englischen Schriftstellerin Anne Thackeray Ritchie (1837-1919). "Die Urheberin geriet in Vergessenheit, die Maxime verbreitete sich als indisches oder chinesisches Sprichwort … (und) wird auf Deutsch im 21. Jahrhundert gerne dem chinesischen Philosophen Laotse, manchmal auch Konfuzius untergeschoben. Zum Schluss zurück zu Pseudo-Einstein. "Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben …" Vielmehr fand sich die Prophezeiung 1941 in einem Fachblatt für Bienenzüchter, 1964 in einer französischen und 1966 in einer irischen Imkerzeitschrift "und trat von dort aus die Reise in die Welt an."