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Dietmar Grieser: Es muss was Wunderbares sein#

Bild 'Grieser'

Dietmar Grieser: Es muss was Wunderbares sein … Das Salzkammergut und seine Künstler. Amalthea Signum Verlag Wien. 240 S., ill., € 28,-

Kaum war das Salzkammergut zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 erkoren, ist auch schon das passende Werk von Dietmar Grieser erschienen. Vor genau 30 Jahren hatte der Bestsellerautor dem oberösterreichisch-salzburger-steirischen Sehnsuchtsort das Buch "Nachsommertraum" gewidmet. Es bildet die Basis für die überarbeitete und ergänzte Neuausgabe. In seiner einzigartigen Mischung aus solider Recherche, Anekdotischem und literarischer Erzählkunst nimmt Dietmar Grieser seine Leser mit in die See(len)landschaft und zu ihren prominenten Gästen und Bewohnern. Unter den Schriftstellern waren es Oscar Blumenthal (1852-1917) in Ischl, August Strindberg (1879-1912) am Mondsee, Jakob Wassermann (1873 - 1934) in Altaussee, Felix Salten (1869-1945) in Unterach, Carl Zuckmayer (1896-1977) und Thomas Bernhard (1931-1989) in Henndorf. Ebenso werden die Journalistin Emma Adler (1858-1935) in Nussdorf, der Chirurg Theodor Billroth (1829-1894) in St. Gilgen, Viktor Kaplan (1876-1934), der Erfinder der nach ihm benannten Turbine, in Unterach und der Museumsgründer Alois Mayrhuber (+ 1984) gewürdigt. Das Buch beginnt und endet mit Gustav Mahler (1860-1911). 1893 bezog der Komponist - mit zwei Schwestern und seiner "Seelenfreundin" - erstmals das Sommerquartier in Steinbach am Attersee. Die 1000-Seelen-Gemeinde, jetzt die größte des Bezirks Vöcklabruck, war damals "ein ruhiges Dorf am Ostufer", wo Sommerfrischler eine Etage in einem "verschlafenen Landgasthof" mieten konnten. Für den absolute Ruhe suchenden Tondichter war die Unterkunft fast ideal, doch fühlte er sich doch immer wieder bei seiner Arbeit gestört. So kaufte er ein nahe gelegenes Wiesenstück und ließ von einem örtlichen Baumeister (um umgerechnet knapp 7000 Euro) ein quadratisches Häuschen bauen - gerade groß genug für Klavier, Tisch und Sessel. Im "Arbeits-Sanctuarium" entstanden die 2. und 3. Sinfonie. Was der "Ferienkomponist" von hier aus sah, hörte und erlebte, floss in seine Musik ein: "die Blumenwiese vor der Tür, die Tiere im nahen Wald, die Berge im Hintergrund." Das ging gut bis zum Sommer 1896, als der Pächter des Gasthofs "Zum Höllengebirge" wechselte. Schweren Herzens nahm er Abschied und kam nie mehr zurück. Auf das Komponierhäuschen warteten profane Zwecke: Schlachthaus, Waschküche, Sanitäranlage eines Campingplatzes. Wie gut Steinbach dem Komponisten getan hat, zeigt eine Episode. Nach stundenlanger Wanderung endlich in Altaussee angelangt, fiel er in Ohnmacht. "Klaustrophobie war der Grund: die Enge des Tals, die ringsum hautnah heranrückenden Bergwände, der tiefschwarze Schlund von See. Das Wetter mag ein Übriges dazu getan haben, den nach Weite und Ausblick Verlangenden in Panik zu versetzen, da mochte die Luft noch so gut sein."

Mit dem misslungenen Ausflug ins Ausseerland (und dem gelungenen Literaturmuseum Altaussee) schließt sich der Kreis der Zusammenhänge im "vortrefflichen Terrrain" des Salzkammerguts. "Mit dem banalen Begriffspaar schön/hässlich beispielsweise kommt man da nicht weit", weiß Dietmar Grieser, "denn welches Fleckchen wäre nicht schön, welches allen Ernstes hässlich? Wieso also ist Altaussee … 'nichts für Komponisten' und umgekehrt Ischl 'nichts für Dichter?' " Die Antwort muss sogar der routinierte Autor schuldig bleiben.

Der erste der musikalischen Heroen ist Richard Wagner. Seine Muse war die 15 Jahre jüngere, ihn schwärmerisch verehrende Mathilde Wesendonck, verheiratet mit einem erfolgreichen, international tätigen Seidenfabrikanten. Als er sich ins Privatleben zurückzog, erwarb er für sich und seine Frau einen schlossähnlichen Besitz in Altmünster, am Westufer des Traunsees. Sie machte aus der Villa Traunblick "den reinsten Wagner-Tempel". Mathilde Wesendonck hatte den Meister in Zürich kennengelernt, später lebten sie dort in benachbarten Villen und standen einander sehr nahe. Es kam aber ebenso wenig zum Ehebruch, wie zur Einladung an Wagner, das neue Domizil am Traunsee zu besuchen. In Unterach, am Südwestende des Attersees, bezog die Primadonna Maria Jeritza (1887-1982) Quartier. Sie sang an der Wiener Volksoper und im Sommer in Bad Ischl. Dort war 1910 Kaiser Franz Joseph unter den Premierengästen. Seiner Begeisterung verdankte die Sopranistin ihr Engagement an der Hofoper. In den 1920er Jahren erwarb sie zwei Villen in Unterach - Generationen dortiger Kinder erinnerten sich gerne an die großzügige "Frau Baronin". Auch die Sopranistin Maria Cebotari (1910-1949) war Ensemblemitglied der Oper, jedoch nicht im Salzkammergut ansässig. Nachdem ihr Mann, der Schauspieler Gustav Diessl (1899-1948), und sie selbst jung verstorben waren und die Kinderfrau Hedwig Cattarius Suizid begangen hatte, suchte der Vormund Adoptiveltern für den dreijährigen Fritz und den achtjährigen Peter. Er fand sie im englischen Pianisten-Ehepaar Sir Clifford Curzon (1907-1982) und seiner Frau Lucille Wallace (1898-1977). Sie hatte sich in die Attersee-Region veliebt und 1929 in Litzlberg am Nordende einen luxuriösen Landsitz mit Park und Wald errichten lassen. Hier und im Londoner Nobelbezirk Highgate sollten die Cebotaribuben wohl behütet heranwachsen und ihr Kindheitstrauma vergessen. Sie wurden Arzt bzw. Fotograf und leben in Neuseeland und England. "In Litzlberg wird man sie fortan kaum noch zu Gesicht bekommen." Unter seiner Kinderlosigkeit litt auch der Schriftsteller, Maler und Pädagoge Adalbert Stifter. In der Erzählung "Bergkristall " (1845/1853), die Eingang in die Sammlung "Bunte Steine" fand, hat er einem Hallstätter Geschwisterpaar ein literarisches Denkmal gesetzt: Sie gilt als Stifters ergreifendste Erzählung.

Das Titelbild des jüngsten Buches von Dietmar Grieser zeigt den Litzlbergkeller, wie ihn Gustav Klimt 1915 sah. "Wer sich heute auf Gustav Klimts Spuren am Attersee umsieht, kommt voll auf seine Kosten: Die Oleandervilla strahlt nach wie vor viel von ihrem alten Zauber aus, insbesondere, wenn man sich ihr vom See her nähert. Schloss Kammer und seine berühmte Lindenallee sind und bleiben Sehenswürdigkeiten und die denkmalgeschützte Villa Paulick mit all ihren Veranden und Salons, ihren Giebelchen und Türmchen steht sogar dem allgemeinen Touristenpublikum offen, " schreibt der Autor.