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Wolfgang Fingernagel, Manfred Pregartbauer: Lebensader Leitha #

Bild 'Fingernagel'

Wolfgang Fingernagel, Manfred Pregartbauer: Lebensader Leitha. Eine Flussbiografie. Verlag Anton Pustet Salzburg. 248 S., ill., € 28,-

Mit einer Länge von 180 Kilometern ist die Leitha der siebentgrößte Fluss Österreichs. Mehrere Orte und ein Gebirge tragen sie im Namen. Die historische Bezeichnung "Cisleithanien" verweist auf die Jahrhunderte lang bestehende Grenze zu Ungarn. Diese Funktion stand kürzlich auch im Mittelpunkt einer Sonderausstellung des Landesmuseums Burgenland. Ein Desiderat war aber bisher eine Publikation, die Geschichte, Kultur und Natur der Region umfassend darstellt. Nun füllt die Flussbiografie von Wolfgang Fingernagel und Manfred Pregartbauer diese Lücke. Beide Autoren waren als Ministerialbeamte für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Mit diesem reich illustrierten, vielseitigen Buch erschließen sie die Besonderheiten der Region - vom Ursprung der Leitha im niederösterreichischen Lanzenkirchen bis zur Mündung in Ungarn. Mehr als 30 Einzeldarstellungen der Orte an beiden Ufern werden durch zahlreiche Fotos und Informationen über Natur- und Kulturschauplätze ergänzt.

Die Siedlungsgeschichte des Leitharaumes erweist sich als "archäologische Fundgrube". Seit der Jungsteinzeit sind hier Niederlassungen belegt, wie eine neolithische Kreisgrabenanlage in Au am Leithaberge. "Zwei frühe Abschnitte der Bronzezeit sind sogar nach Orten an der Leitha benannt: Für den Zeitraum zwischen 2300 und 2000 v. Chr. spricht die Wissenschaft von der 'Leithaprodersdorf (Kultur-)Gruppe', mit einer 'Leithaprodersdorf-Tasse' als typischer Keramikform. … Ein aus mehreren Gebäuderekonstruktionen hervorgegangenes 'Keltendorf' in Schwarzenbach vermittelt als Freilichtmuseum Einblicke in das Alltagsleben. … Der Leitharaum gehörte zur Provinz Pannonien. Seine Bevölkerung setzte sich aus einheimischen Kelten, Angehörigen germanischer Stämme und Römern zusammen. … Hauptort war Carnuntum, ein Siedlungskomplex aus Legionslager, Militärsiedlung und Zivilstadt, der Anfang des 2. Jahrhunderts bereits stolze 50.000 Bewohner zählte und für damalige Verhältnisse als Weltstadt gelten konnte."

Zur Babenbergerzeit entstand Wiener Neutadt als zentraler Ort und Bollwerk gegen Ungarn. Ihre Hochblüte erlebte die Stadt Mitte des 15. Jahrhunderts, als Kaiser Friedrich III. hier residierte. Er nannte die Stadt seine "allzeit Getreue". Sein Sohn und Nachfolger Maximilian I. wurde in Neustadt geboren und begraben. Die 1752 gegründete Theresianische Militärakademie war die älteste Offiziers-Ausbildungsstätte der Welt. Heute ist die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs mit 47.000 Einwohnern Garnisons-, Schul-, Hochschul- und Industriestadt.

Die industrielle Entwicklung setzte im Viertel unter dem Wienerwald im 17. Jahrhundert ein. Dabei wirkte die Leitha als "treibende Kraft". Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden - wegen der Kontinentalsperre, die Baumwollimporte aus England verhinderte - Spinnereien und Webereien u. a. in Pottendorf, Ebenfurth, Götzendorf und Eggendorf. Die Gründung der Metallwarenfabrik Nadelburg in Lichtenwörth bildete einen frühen Meilenstein auf dem Weg zur Industrieregion. "Die systematisch geplante und errichtete Arbeitersiedlung inklusive Schule, Kirche und Wirtshaus zählt zu den ältesten noch erhaltenen derartigen Anlagen in Europa. Hier produzierte die k. k. privilegierte Messing- und Metallwarenfabrik von 1747 bis 1930 zunächst Nadeln sowie Metallgegenstände aller Art … Im Lauf der Zeit wurden bis zu 800 verschiedene Produkte hergestellt." Maria Theresias Hofarchitekt Nikolaus Pacassi, der u. a. Schloss Schönbrunn umbaute, plante ein zweitürmiges Gotteshaus mit markanter Kuppel. Seine ungewöhnlicher querovaler Grundriss stellt einen Kompromiss zwischen dem katholischen und evangelischen Kirchenbau dar. Auf einem Altarblatt ließ sich Maria Theresia als Nonne darstellen. Das Bild zeigt auch Kaiser Joseph II. und zwei Bergleute.

Pottendorf war mit seiner Spinnerei eine bedeutende "Single factory town". Generationen lang hatte das Schloss das Zentrum des Ortes gebildet. Graf Nikolaus V. Esterházy von Galanta, der Dienstgeber Joseph Haydns, ließ seinen Park zu einem der bedeutendsten Landschaftsgärten Österreichs ungestalten. Während der Park und die gotische Kapelle nach dem Kauf durch die Marktgemeinde revitalisiert wurden, harrt das Schloss noch seiner Wiederherstellung. In Ebenfurth stand ein Glied der Burgenkette zwischen Hainburg und Wiener Neustadt. Das Wasserschloss, das sich zeitweise im Besitz von Matthias Corvinus, wie auch der Adelsfamilie Suttner befand, enthält Fresken von Franz Anton Maulbertsch. Es wird derzeit renoviert und soll für Veranstaltungen zugänglich gemacht werden. Auch Schloss Seibersdorf war ein Glied dieser Burgenkette und befindet sich nun in Privatbesitz. Es soll nach Abschluss der Arbeiten zur einer "Stätte der Begegnung" werden. Das klassizistische Schloss Potzneusiedl ist bereits seit den 1960er Jahren ein "Castle of Arts". Unterschiedliche Veranstaltungen, ein Museum und ein Antiquitätenhandel sind weithin bekannte Attraktionen. Im Schloss Rohrau ist mit der Gemäldegalerie der gräflichen Familie Harrach eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Österreichs zu besichtigen. Der Harrachpark von Schloss Prugg in Bruck an der Leitha zählt zum EU-Parknetzwerk "Die großen Gärten".

Die Leitha - "ein Fluss der Gegensätze" - steht unter vielfachem Schutz der EU: Europaschutzgebiet Nordöstliches Leithagebirge, Flora-Fauna-Habitat (Vogelschutzrichtlinie), Natura-2000-Gebiet, die Nationalparks "Donauauen" und "Neusiedler See", dazu Naturschutzgebiete in Niederösterreich und im Burgenland. Es gedeihen rare Orchideen und Trollblumen. Selten gewordeneTierarten, wie Fischotter, Eisvogel und Großtrappe leben hier. Die Autoren weisen aber auch auf Gefahren hin: "Eine aktuelle Beschreibung der Leitha kann die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass es mit diesem Fluss in ökologischer Hinsicht nicht zum besten steht. Als einziges Fließgewässer dieser Größenordnung in Österreich ist es die meiste Zeit des Jahres streckenweise völlig wasserlos." Trotzdem zeigen sie Optimismus; "Mit dem Naturschutz verträglich, bietet der Leitharaum über weite Strecken beste Möglicheiten für sanften Tourismus".