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Zur Poesie des Flüchtigen#

Poiesis (Ein Feuilleton)#

von Martin Krusche & Monika Lafer

Platon hat uns Aufzeichnungen überlassen, die davon erzählen, daß Sokrates dem Aufkommen der Schriftkultur skeptisch bis ablehnend gegenüberstand. (Oder war Platon selbst dieser Kritiker?)

Bevor die Menschen Informationen und Wissen aufzeichnen konnten, wurden verschiedene Mnemotechniken genutzt, um Inhalte erinnern zu können. Ich fand den „Gedankenpalast“ stets faszinierend; daß man ein Gebäude mit vielen Zimmern imaginiert, worin verschiedene Informationen aufbewahrt werden. Was ich als Kind in der Schule an Balladen kennengelernt habe, die wir auswendig lernen mußten, ist eine andere Kulturtechnik, die solchen Zwecken dient.

Platon ließ Sokrates an einer Stelle des Dialoges „Phaidros“ sagen: „Gehört also habe ich, in der Gegend von Naukratis in Ägypten habe es einen der alten Götter des Landes gegeben, der, dem auch der Vogel heilig ist, den sie Ibis nennen; und der Gott selbst heiße Theuth. Der also habe Zahl und Rechnen entdeckt und Geometrie und Astronomie, ferner Brett- und Würfelspiele, und so denn auch die Buchstaben.“

Das klingt nicht nach Begeisterung, sondern eher nach Verachtung für Jahrmarktzauber. Wir hatten inzwischen genug Zeit, um diesen einstmals so radikalen Paradigmen- und Kulturwechsel zu bewältigen. Auf diesem Weg durch die Jahrtausende hat die Schrift selbst erhebliche ästhetische Qualitäten gewonnen; ganz unabhängig vom Inhalt eines Textes.

Dazu kommt, daß wir mit der Semantik jene Arbeit kennen, die den Zusammenhang zwischen einem Wort und dem behandelt, was das Wort bezeichnet. Genauer betrachtet ist da das Wort als Bezeichnendes (Signifikant), wodurch das Bezeichnete (Signifikat) benannt wird.

Nun kann es künstlerisch interessant sein, so einen Zusammenhang zu trennen. Da Handschrift eine sehr individuelle Ausdrucksform ist, die eine bestimmte Person mit einer bestimmten ästhetischen Erscheinung verknüpft, ist für mich auch dieser visuelle Aspekt wichtig. Er bietet uns andere Wahrnehmungserfahrungen an als der Textinhalt.

Wenn ich mich recht erinnere, hat Philosoph Vilem Flusser in seinem Essay „Die Schrift: hat Schreiben Zukunft?“ konstatiert, daß ausnahmslose jede Schrift verlöscht. Mich fasziniert daran beides, das Verlöschende und die Transformation.

Künstlerin Monika Lafer hat einen Schriftzug aus einem verblassenden Handzettel aufgegriffen und als Zeichnung in eine andere Dimension geschoben. Der Zettel aus dem Jahr 1974 markiert einen historischen Moment, der allerdings nicht von allgemeinem Interesse ist. Er blieb zufällig erhalten. Nun wurde er zur Schnittstelle für mehr als eine andere Geschichte.

Kontext#

Monika Lafers Bild ist "Vol. 40 Ausgangssituationen" (Mai 2024) im Gleisdorfer Zeit.Raum und wurde zu einer Schnittstelle mehrere Kulturprojekte.