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Autorin Eva Surma (Foto: privat)
Autorin Eva Surma (Foto: privat)

Eva Surma#

(Lyrik.Treff.Punkt im Gespräch)#

Von Karin Klug#

„Die Welt bekommt für mich durch Lyrik ein neues Gesicht“#

Liebe Eva, erzähl mal: die Lyrik und du, wie seid ihr zwei denn zusammengekommen?

Das ist lange her! Als ich noch klein war, haben wir am Sonntagvormittag zu Hause immer Radio gehört. „Du holde Kunst“ war nicht schon immer meine Lieblingssendung, aber sie war schon immer da. Sie begleitete mich. Gedichte habe ich aber eigentlich erst zu schreiben begonnen, als Rita Falsone, die damalige Leiterin des Literaturkreises Lebring, mich dazu anhielt. Sie sagte: „Hierher kann man nicht nur zum Zuhören kommen.“ Und so begann ich Monat für Monat meine Gedichte zu schreiben. Nach mittlerweile 15 Jahren beim Lebringer Literaturkreis ist mir die Lyrik zur Leidenschaft geworden.

Du bist in der Frauenberatung engagiert, kannst du uns ein bisschen zu deinem beruflichen Hintergrund erzählen.

Ich bin Beraterin in der Frauenberatungsstelle in Leibnitz, die ich selbst zusammen mit einer Geschlechterforscherin und Genderwissenschafterin 2005 gegründet habe. Damals waren wir beide in typischen „Frauensituationen“. Sie war schwanger und hatte einen befristeten Dienstvertrag. Ich hatte zwei Kleinkinder und keine Kinderbetreuung. Beide lebten wir in Leibnitz, wo es außer einer Stillberatung keine frauenspezifischen Einrichtungen gab. Da haben wir uns zusammengetan und Nägel mit Köpfen gemacht. Nun kämpfen wir seit bald 20 Jahren für Chancengleichheit für Frauen am Land. Davor war ich bei ISOP, Caritas und Diakonie. Studiert habe ich Migrationswissenschaften und Deutsch als Fremdsprache, aber das ist schon ziemlich sehr lang her. Feminismus ist mein Beruf und meine Berufung.

Wie weit spielt das Schreiben bei dir im beruflichen Kontext eine Rolle? Hat sich auch dort, im Einsatz für und mit Frauen ein Platz für Lyrik gefunden?

Ich schreibe auch in meinem Beruf sehr viel. Vor allem Projektbezogenes und viele Presseartikel, aber es gibt auch eine Autobiographische Schreibgruppe, die sich einmal monatlich trifft und im Rahmen von StoP, einem Gewaltpräventionsprojekt, eine Anthologie herausgeben wird. Frauen leben Frauenleben, wird der Band heißen und gewaltige Geschichten aus der Südsteiermark enthalten. Lyrik findet vor allem in dem Verein „Worte und Taten“, den ich mit meinem amerikanischen PEN-Kollegen Mark Klenk vor vier Jahren gegründet habe, Raum. „Poesie für schwierige Zeiten“ heißt der neueste Band, der in psychotherapeutischen Einrichtungen ausliegt. Auch bei der IG feministische Autorinnen kommt Lyrik nicht zu kurz. Im Rahmen einer österreichweiten Plattform von schreibenden Feministinnen setzen wir uns auch in einem IGfem Europaprojekt für die Chancengleichheit von Frauen im Literaturbetrieb ein. Da ist der Gender Pay Gap ja noch einmal größer als im durchschnittlichen Berufsumfeld.

Wie unterscheidest du, ob ein Text/Gedanke besser in Prosa, Lyrik oder anderes verpackt werden soll/kann?

Das ergibt sich ganz von selbst. Es ist ein bisschen wie beim Kochen. Du schaust die Zutaten an, und du weißt, welches Messer passt. Natürlich verschätzt man sich manchmal, was die Topfgröße oder die Garzeit betrifft, aber dann darf es eben ein bisschen mehr sein. Kreativität ist eine Naturgewalt, die sich ihren Weg bahnt.

Was und wo hast du bisher veröffentlicht?

Meine erste Veröffentlichung war die Geschichte über Esther, einer Frau aus Ghana, die in Graz als Zimmermädchen gearbeitet hat. Die Normalität, mit der sie über ihre Diskriminierungserfahrungen am österreichischen Arbeitsmarkt der 1990er Jahre gesprochen hat, war für mich schockierend. Damals begann ich gerade als Sozial- und Berufspädagogin für die ISOP zu arbeiten. Daher ist diese Geschichte auch in eine ISOP Band erschienen: „Ich bin ich, weil du du bist.“ Dieses Interkulturelle Kaleidoskop von 1998 ist mittlerweile vergriffen.

Graphic Novel von Eva Surma und Heinz Payer
Graphic Novel von Eva Surma und Heinz Payer

„Glück gehabt“, war meine zweite Veröffentlichung, die davon handelt, wie mir eine afghanische Familie in großer Not beigesprungen ist. Diese Geschichte habe ich in dem Sammelband „Die Farbe sieben“ gemeinsam mit Erika Hütter, der Künstlerin vom bekannten Weiberhof in der Südsteiermark und mit fünf anderen malenden Schreiberinnen herausgebracht.

Beruflich haben wir mit dem Freiraum im Band Migration der Donau-Uni Krems einen Beitrag zu Frauenleben am Land veröffentlicht und mit dem BMI 2009 ein Frauenfluchtgeschichtenbuch herausgebracht.

Beim „Steirerinnenkabarett, Frauen am Steirischen Arbeitsmarkt“ durfte ich Regie führen. Man kann die Szenen auf Youtube sehen und hat viel zu lachen. Die Arbeit mit 14 Laienschauspielerinnen war eine einmalige Erfahrung für die ganze Truppe und für mich.

Von 2019 bis 2022 habe ich zweiwöchentlich mit meinem damaligen Lebensgefährten Jens Reuschel eine Radiosendung für das Freie Radio Salzkammergut herausgegeben: Die Feministin in Leibnitz und der Piefke in Triest.“ Das war eine sehr intensive Kreativphase, in der wir ununterbrochen zusammen gelesen, geschrieben und Sketches eingesprochen haben.

Was mir sehr viel bedeutet ist, dass Heinz Payer meine Geschichte „Glück gehabt“ zu einer Graphic Novel verarbeitet hat. Solche Kooperationen waren mir immer überaus wichtig. Ich bin ein Rudeltier!

So habe ich im Laufe der Jahre die Kontrolle über alle meine Geschichten und Gedichte ein wenig verloren. Einige Gedichte sind auch von meiner Freundin Rita Falsone ins Italienische übersetzt worden und haben Preise in Florenz und Moscenicka Draga beim europäischen SIPAR Festival errungen.

Auch Leserinnenbriefe gelingen mir immer wieder recht gut, will heißen polarisierend. Aber was das Schreiben betrifft, freue ich mich schon auf meine Pension, denn da werde ich endlich täglich Zeit haben und davon erzählen, wie es ist, sich als Vierfachmutter und Zweifachoma nach mehr als 30 Jahren Ehe scheiden zu lassen. Das wird mein After-Job-Projekt.

Dafür übe ich jetzt schon. Einmal jährlich schreibe ich mit einer Frauengruppe eine Woche lang. Diesmal geht’s nach Novigrad. „Frauen schreiben am Meer“ findet heuer im September statt und wird mit einer Lesung von Marlene Streeruwitz im Retzhof am 7. September enden.

Liebe Eva, ich bin schwer beeindruckt! Das ist wirklich ein sehr üppiges, buntes und vor allem unglaublich engagiertes Arbeiten und Schreiben, das du da miteinander verknüpfst. Zu deinem literarischen Tun noch ein paar Fragen: Gibt es bestimmte Zeiten, Rituale, Orte dafür? Schreibst du mit der Hand? Hast du feste Schreibzeiten? Wann und wo schreibst du am liebsten? Und: wie lange und oft überarbeitest du deine Texte, bis sie „fertig“ sind?

Beruflich bedingt leite ich meinen alltäglichen Schreibdruck in der Früh und abends ab, am liebsten noch oder schon im Bett mit meinem Lappi. Da ich schon seit meiner Jugend Tagebuch führe, bin ich es gewohnt, schriftlich zu reflektieren. Jahre später, beim etwaigen Wiederlesen meiner Aufzeichnungen, bin ich oft erstaunt, was ich geschrieben habe. Seit Corona schreibe ich am Laptop. Vorher war ich begeisterte Bleistift-auf-Papier-Schreiberin. Beim Spazierengehen spreche ich oft Gedanken, die nicht warten können, in mein Handy. Zu Hause entstehen dann Texte daraus. Ich webe meinen Alltag und meine Umwelt in meine Arbeiten. An meinen Geschichten und Gedichten feile ich, wenn ich sie für bestimmte Anlässe, Veröffentlichungen oder Ausstellungen vorbereite.

Wie siehst du aktuell den Stellenwert der Lyrik in unserer Zeit? Und welche Bedeutung misst du ihr bei? Auch in deinem beruflichen, doch sehr politischen Tun?

Lyrik ist für mich sehr kraftvoll. Einerseits konzentriert sie Ideen und fungiert als Impulsgeberin, andererseits steht Lyrik für mich in enger Verbindung zur darstellenden Kunst. Schaffend und konsumierend haben wir also auf beiden Seiten, rezeptiv und kreativ, Gelegenheit, unsere Stimmungen, fremde und eigene Emotionen zu erkennen und in das aktuelle Leben einzuordnen. Daher ist Lyrik für mich auch sehr politisch. Wenige Wörter in der richtigen Reihenfolge können Sprengstoff enthalten. Die Welt bekommt für mich durch Lyrik ein neues Gesicht.

Was würdest du Junglyrikerinnen mit auf den Weg geben wollen?

Lyrik ist eine Lebensmelodie. Lasst euch nicht davon abbringen! In einer kapitalistischen Welt scheint Lyrik manchmal fehl am Platz. Das ist sie ganz und gar nicht. Sie ist vielmehr die Essenz eines sinnerfüllten Seins.

Was für ein Schlusssatz!!! Danke.

Einige biografische Details#

Eva Surma ist gebürtige Grazerin. Lebt und schreibt in Leibnitz, in der Südsteiermark, aber auch in Muggia und Izola am Meer. Feminismus ist ihr Beruf und ihre Berufung. Als Grenzgängerin ist sie immer auf der Suche nach Altem und nach Neuem. Seit 15 Jahren ist Eva Surma Mitglied des Lebringer Literaturkreises. Prämiert bei kleineren literarischen Bewerben in Österreich, Italien und Kroatien. Seit 2022 PEN Mitglied. Vereinsmitbegründerin von verein-freiraum, IG fem Bezirk Leibnitz, Worte und Taten.