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Alexander Marinovic: Minoritenplatz 5#

Bild 'Marinovic'

Alexander Marinovic: Minoritenplatz 5. Architektur und Literatur. Hg. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Verlag Berger Horn. € 29,-

Das heutige Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung besteht seit 175 Jahren. Kein Jubiläumsgeschenk würde besser passen als ein informatives und repräsentatives Buch. Mit der Publikation, die auf seine Initiative zurückgeht, gratuliert der Autor dem Ministerium, in dem er seit 40 Jahren als Jurist tätig ist, zum 175. Geburtstag. Alexander Marinovic würdigt das Haus Minoritenplatz 5 aus kunsthistorischer und literarischer Sicht. Der Wiener Fotograf Martin Lusser hat das großzügig gestaltete Buch mit eindrucksvollen Bildern ausgestattet. Sie lassen vergessen, dass das Gebäude längst kein aristokratischer Repräsentationsbau mehr ist, sondern als Arbeitsstätte für Politiker und Beamte dient.

Das älteste Barockpalais Wiens steht auf dem Minoritenplatz Nummer 5. Es entstand zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und der Zweiten Osmanischen Belagerung. Ein Jahrhundert später erfolgte der erste Umbau durch den Stiftsbaumeister des Schottenklosters, Andreas Zach, den wichtigste Architekten des Wiener Frühklassizismus.

Bauherr war Graf Konrad Balthasar von Starhemberg (1612-1687). Der Statthalter von Niederösterreich galt als einer der besten Minister und Ökonomen seiner Zeit. 1661 erwarb er das ehemalige "Freihaus an den Minoriten" nächst der kaiserlichen Burg. Der Graf ließ an dessen Stelle einen freistehenden, fast quadratischen Palast im Stil des italienischen Frühbarocks errichten. Dieser hatte fünf Geschoße. Im Keller war Heizmaterial gelagert, das Souterrain bot Platz für Stallungen von 34 Pferden. Im Erdgeschoß befanden sich Kanzlei- und Wirtschaftsräume. Die Säle im ersten Stock waren repräsentativen Zwecken vorbehalten, die Privatzimmer der Herrschaft lagen im zweiten. Die nahezu unveränderte Fassade wies 10, später 13 gleichmäßige Fensterachsen auf. Im Barock galt die "große Anzahl der Fenster" als Ideal. In der Beletage gab es keinen Korridor, die Säle der Zimmerflucht konnte man nur nacheinander betreten. Eineinhalb Jahrhunderte blieb das Palais im Familienbesitz, dann musste es aus finanziellen Gründen verkauft werden.

Ab 1820 ließ Ladislaus Graf Festetics de Tolna Eingangsbereich, Innenhof, Stiegenhaus und Beletage umgestalten. Auch er beauftragte einen prominenten Architekten, Alois Pichl, der u. a. das Niederösterreichische Landhaus umbaute. Pichl strukturierte die Erschließung durch den Einbau einer ovalen Wendeltreppe neu. Die Beletage mit ihren Prunkräumen erhielt einen Korridor (Ministergang). Für die plastische Gestaltung zeichnete Josef Klieber verantwortlich. Sein bekanntestes Werk sind die Skulpturen im Musensaal der Albertina. Für das Palais Starhemberg schuf er mythologische Sandsteinfiguren. "Die Göttin Ceres steht für die Segnungen der Landwirtschaft, die Löwengruppe ist eine Allegorie für die machtvolle Herrschaft, und Pallas Athene symbolisiert die Weisheit. "

Im Buch folgt nun ein Rundgang durch die, im Zeitgeist des Wiener Kongresses dekorierten, Prunkräume. "Ins Auge fallen die ornamental gestalteten teppichartigen Ausschmückungen der Plafonds." In den 1980er Jahren erfolgte eine einfühlsame und professionelle Restaurierung, die notwendige technische Einbauten ermöglichte und das Erscheinungsbild des Empire zurückbrachte.

Der Rundgang beginnt im Empirezimmer (Alois Mock-Saal), das den kunsthistorisch bedeutsamsten Teil der Ausstattung enthält. Wo sich früher das Büro des Präsidialvorstandes des Unterrichtsministeriums befand, ist heute ein Konferenzraum. "Die dafür notwendige moderne Einrichtung beeinträchtigt naturgemäß den Gesamteindruck etwas", stellt der Textautor fest, doch gelingt es dem Bildautor, dies auf seinen Fotos ungesehen zu machen. Der repräsentativste und größte Raum der Beletage ist der mit einer halbrunden Nische, Kamin und Spiegel ausgestattete Audienzsaal. Daran schließt der Blaue Salon, dessen namengebende Tapeten rekonstruiert wurden. Es folgt der Ecksalon (Ministerzimmer), dessen riesige Spiegel seine Pracht multiplizieren. Diesen optischen Effekt nützt auch das mit vergoldeten Holzvertäfelungen gestaltete Empire-Kabinett. Auf der Rückseite zur Bankgasse liegt der Josephinische Saal aus der Zeit Joseph II. (Erhard-Busek-Saal), der in noblem Weiß und Gold gehalten ist. Die historischen Repräsentationsräume beschließt ein Salon (Hertha-Firnberg-Zmmer) aus der Erweiterungsphase um 1900.

Im 19. Jahrhundert galten Stadtpaläste als nicht mehr als zeitgemäß und wurden von ihren adeligen Besitzern abgestoßen. Es traf sich gut, dass der Staat Bedarf an repräsentativen Verwaltungsbauten hatte. So kam das Palais am Minoritenplatz nach 1853 von Starhemberg an Festetics, Ritter von Löwenthals Erben und die österreichische Staatseisenbahngesellschaft .1871 zog das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht ein, das zuvor in unterschiedlichen Palais Quartier gefunden hatte. Bald war das noble Amtsgebäude wieder zu klein. Daher kaufte der Staat das anschließende "Kleine Majoratshaus", das sich inzwischen in Liechtenstein'schem Besitz befand. Es wurde demoliert und das Ministerium in angepasstem Aussehen erweitert.

Alexander Marinovic, der auch Kunsthistoriker und Philologe ist, ergänzt den baugeschichtlichen Teil mit drei umfangreichen Kapiteln über "Das Unterrichtsministerium im Spiegel der Literatur." Dazu wählt er prominente Autoren, deren Werke in entscheidenden Jahren der österreichischen Geschichte spielen: Arthur Schnitzlers "Professor Bernhardi" um 1900, "Eine blassblaue Frauenschrift" von Franz Werfel, kurz vor dem "Anschluss" und "Meine Preise" von Thomas Bernhard, 1968. "Aus dem Blickwinkel der Literatur des 20. Jahrhunderts ergeben sich erhellende Einsichten in die Geschichte des heutigen Bildungsministeriums - pointiert und kritisch."