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Peter Diem: Der Stephansdom #

Bild 'Diem'

Peter Diem: Der Stephansdom. Die weltliche und politische Symbolik. Mit einem Essay von Ernst Bruckmüller. Plattform Verlag Perchtoldsdorf. 172 S., ill., € 25,-

Der Stephansdom ist nicht nur ein Juwel der Bau- und Kunstgeschichte und Zentrum des katholischen Glaubens, sondern auch ein Symbol der Einheit und Identität Österreichs. Das jüngste Werk von Peter Diem widmet sich vor allem dem dritten Aspekt. Der Symbolik-Experte schreibt, dass Rudolf IV., "der Stifter" (1339-1365) , Symbole bewusst einsetzte: Der selbst ernannte Erzherzog von Österreich "gilt als weitblickender und schöpferischer Politiker, der jede Gelegenheit nützte, um auf verschiedenen Ebenen die Stellung seiner Länder zu verbessern - zum Großteil mit Hilfe von raffinierten Urkundenfälschungen und anderen politischen Tricks." Er konzipierte die Stephanskirche als 'Capella regia Austriae' , als Königskirche Österreichs, daher "ist der Dom von Symbolen geradezu durchzogen," schreibt Peter Diem, und: "Dieses Buch ist eine Collage aus Bildern und Texten … bemüht, einen Blick auf die weltlich-politischen Symbole zu werfen, um auf Wichtiges hinzuweisen und Unbekanntes aufzudecken."

Ein Essay von Ernst Bruckmüller zum Gedächtnisort St. Stephan rundet die Darstellung ab. Der Historiker beginnt chronologisch, wenn er feststellt: "Spätestens 1137 wurde mit dem Bau der Stephanskirche begonnen, noch außerhalb der ältesten Stadtmauern, 1147 wurde sie geweiht. … Jedenfalls wurden hier schon vor dem 12. Jahrhundert Menschen bestattet. Wir haben es also mit einem sehr alten 'locus sanctus' zu tun, dessen Kontinuität vielleicht sogar bis in die Spätantike zurückreicht. Für den Bau wurden Steine aus den damals noch aufrecht stehenden Ruinen der römischen Lagermauer verwendet."

Peter Diem hingegen beabsichtigt keine genaue Darstellung der Baugeschichte des Doms oder seiner architektonischen und künstlerischen Einzelheiten. Er beginnt seine Ausführungen in der jüngsten Zeitgeschichte: Der Brand im April 1945, Gerhard Klinkicht, der Retter des Stephansdoms, das Symbol der Österreichischen Widerstandsbewegung oder kyrillische Inschriften sind die ersten Themen. Ein nächster Abschnitt beschäftigt sich mit der "Josephischen Glocke" aus dem Jahr 1711 und der 1952 gegossenen "neuen Pummerin". Wie die historische Glocke, wurden auch der gotische Dachstuhl, der aus 3000 gehackten Baumstämmen bestand, und das Dom-Dach in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs zerstört. Dieses verdankt 250.000 glasierten Biberschwanz-Ziegeln in zehn Farben sein charakteristisches Aussehen.

Der Bau des frei stehenden 136,4 m hohen Südturms ("Steffel") dauerte mehr als zwei Generationen, von 1359 bis 1433. Anfang des 16. Jahrhunderts brachte man den "Mondschein", ein Symbol des Kosmos, als Bekrönung an. Er wurde 1666 abgenommen und 1864 durch ein vergoldetes Doppelkreuz aus Kupfer ersetzt. 343 Stufen führen zur 72 m hoch gelegenen Türmerstube. 421 Jahre lang (von 1534 bis 1955) versahen hier zwei Türmer Dienst, beobachteten das Geschen in der Stadt, sandten bei Bränden Warnsignale und läuteten stündlich die Primglocke. Der Bau des 1450 begonnenen Nordturms ("Adlerturm") wurde 1511 eingestellt. Die beiden 65,6 m hohen Heidentürme gehören zum Westwerk, das am Übergang von der Spätromanik zur Gotik entstand. Das Zentrum des Riesentors bildet ein Tympanon mit der Darstellung von Christus als Weltenherrscher (Pantokrator). Eine Reihe symbolischer Figuren, wie Löwen oder Greif, finden sich am Westwerk. Dazu kommen eine Zeiger- eine Springzahlen- und eine Sonnenuhr. Als Norm-Maße sind Eisenstäbe in Länge einer Böhmischen Elle (77 cm) und einer Wiener Elle (89 cm) angebracht. Hingegen stellt der darüber stehende Kreis nicht die Größe eines Brotlaibs dar (Brot wurde nach Gewicht verrechnet), sondern ist die Spur eines eisernen Türhakens. An düstere Kapitel der Geschichte gemahnen Symbole des mittelalterlichen Antijudaismus und über Juden und Heiden triumphierende Heiligenfiguren. Auch die gotische Capistrankanzel an der Nordostecke des Albertinischen Chors passt in diesen Kontext. Sie befand sich ursprünglich auf dem Stephansfreithof. 1738 wurde der schlihte, gotische Korpus mit einer Apotheose des Mönchs Johannes Capistran (1386-1436) ergänzt. Man sprach ihn heilig, obwohl er sich als "Geißel der Hebräer" einen Namen gemacht hatte und Juden auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ. Die barocke Darstellung zeigt ihn, wie er "mit frommem Blick nach oben den Schaft einer Kreuzfahrerfahne in den Leib eines Türken rammt."

Am und im Dom erblickt man zahlreiche Herrscherstatuen: Rudolf IV. und Katharina von Böhmen, Eltern und Schwiegereltern sowie hochadelige Förderer des Dombaus bis Kaiser Franz Joseph. Die Figuren aus dem 19. Jahrhundert zieren den Nordturm. Die gotischen Plastiken befinden sich in den Fürstenportalen (Singertor und Bischofstor). Das Kenotaph des Stifterehepaares wurde mehrmals versetzt. Tatsächlich ruhen Rudolf (und vermutlich Katharina) in Kupfersarkophagen einer Gruft vor dem Hochaltar. Das freistehende Hochgrab Friedrichs III. (1415-1493) im Apostelchor ist ein Werk Niklaus van Leydens. Der berühmteste Bildhauer seiner Zeit und zwei weitere Meister arbeiteten 50 Jahre an dem Kunstwerk aus Adneter Marmor. Peter Diem schreibt über das monumentale Denkmal "politisch gesehen ist es letzter Ausdruck der übernationalen römisch-christlichen Reichsidee."

Die Tumbaplatte trägt die persönliche Devise Friedrich III., "AEIOU". Das "mystische Motto" findet sich mehrmals in und am Dom, u. a. auf dem Wiener Neustädter Altar. Nach neuesten Forschungen steht AEIOU für "Amor Electis Iniustis Ordinor Ultor". (Geliebt von den Erwählten, gefürchtet von den Ungerechten). Die Vokalreihe zählte lange Zeit zu den geheimnisumwobenen Elementen des Doms, wie der Kolomanistein oder die "Geheimschrift" Rudolf IV. Koloman war ein irischer Palästinapilger aus königlichem Geschlecht. In der Gegend von Stockerau wurde er für einen Spion gehalten und hingerichtet. Das Blut des Märtyrers soll über den Stein geflossen sein, der sich zur Berührungsreliquie entwickelte. Die "Geheimschrift" wurde nachweislich vom Stifter verwendet, allerdings nicht erfunden und schon im 18. Jahrhundert entziffert.

Drei Kapellen stellt Peter Diem in Wort und Bild vor: Die Kreuzkapelle mit dem Grabmal des Prinzen Eugen von Savoyen, die Katharinenkapelle mit dem 14-eckigen Taufbecken, das 1481 vollendet wurde, und die Barbarakapelle. Sie enthält das letzte Werk des Bildhauers Alfred Hrdlicka, eine Büste der selig gesprochenen Franziskanerin Sr. Restituta Kafka (1894-1943). In der "Dom- und Metropolitankirche zu St. Stephan und allen Heiligen" gibt es eine Reihe kunsthistorischer Juwele. Dazu zählen u. a. der so genannte „Zahnwehherrgott“ eine der wenigen gotischen Schmerzensmanndarstellungen aus Stein. mittelalterliche Glasmalereien, Renaissance-Epitaphe oder barocke Seitenaltäre. Herausragend sind die Werke von Anton Pilgram (1460-1515), der die Dombauhütte leitete. Am bekanntesten ist die Kanzel mit dem "Fenstergucker". Beim Dombrand 1945 rettete ein beherzter Priester das spätgotische Lettnerkreuz. Er zog es aus den Trümmern und löschte es mit Weihwasser. Das riesige Kruzifix wurde restauriert und an seinem angestammten Platz in der Vierung angebracht. "Das Lettnerkreuz gilt kraft seines Schicksals als Symbol für den Wiederaufbau des Wiener Stephansdoms", stellt Peter Diem fest.