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Alfred Komarek: Salz & Österreich#

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Alfred Komarek: Salz & Österreich. Ein Mineral macht Geschichte. Verlag Kremayr & Scheriau. 208 S., ill., € 26,-

Salz hat in Österreich nicht nur Geschichte gemacht, sondern auch einer Epoche den Namen gegeben. Hallstattzeit bezeichnet die ältere vorrömische Eisenzeit. In weiten Teilen Europas dauerte sie von etwa 800 v. Chr. bis (mit fließenden Übergängen zur Latènezeit) 450 v. Chr. 1874 benannte der schwedische Prähistoriker Hans Hildebrand die Hallstattkultur nach dem Gräberfeld oberhalb des Ortes im Salzkammergut.

Dort endete im 4. vorchristlichen Jahrhundert der Bergbau mit einer Katastrophe: Es kam zu einem massiven Tagwassereinbruch, reißende Fluten füllten die Stollen und Laugwerke, rissen Teile der Oberfläche mit sich, und Muren füllten die Hohlräume. Damit ging die erste Hochkonjunktur Hallstatts zu Ende, eine Phase glänzenden Reichtums mit weltweiten Handelsbeziehungen und fruchtbarem Kulturaustausch. Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte der Bergmann Johann Georg Ramsauer das berühmte Gräberfeld. Planmäßig dokumentierte und skizzierte er den Fundort - heute eine unschätzbar wertvolle Quelle. Schon 1734 wurde ein Opfer der Katastrophe, ein Knappe, gefunden. Damals schien es nur wichtig, den "Mann im Salz" möglichst schnell christlich zu beerdigen. Auch auf dem Dürrnberg in Hallein gab es historische Leichenfunde. Gräber aus der Hallstatt- und Latènezeit enthielten Schmuck aus Gold und Bronze, Waffen und Gebrauchsgegenstände. Berühmt ist die Schnabelkanne, die Alfred Komarek "ein Meisterwerk des frühkeltischen Metallhandwerks" nennt und in seinem Buch abbildet.

Der vielfach ausgezeichnete, prominente Essayist und Erzähler hat eine besondere Beziehung zu den Fundstellen. In Bad Aussee geboren, lebt er auch heute - wenn nicht gerade in Wien oder Niederösterreich - in der Kurstadt im steirischen Salzkammergut. In seiner unnachahmlichen Art schildert der Schriftsteller Geographie und Geschichte des "weißen Goldes", dessen bergmännischer Abbau bis in prähistorische Zeiten zurückreicht. Sogar die Essgewohnheiten der Knappen wurden analysiert: Eintopf mit Fleisch, in den Alpenländern bis heute als "Ritschert" bekannt.

Das vielseitig, nicht nur zum Kochen und Konservieren, verwendbare Mineral war Jahrhunderte lang ein kostbarer Schatz, an den sich Machtansprüche knüpften und um den Kriege entbrannten. Salzburger Erzbischöfe profitierten ebenso davon wie Landesfürsten und Klöster. Salz kam aus dem "Ischlland" - seit dem 14. Jahrhundert "Kammergut" - dem Ausseerland und Tirol. Die beamtete Verwaltung und Beherrschung des Salzkammergutes von Gmunden aus, direkt der allerhöchsten Regierungsgewalt zugeordnet, wurde Ende des 16. Jahrhunderts etabliert. … Wien mochte eine glänzende Residenzstadt sein, doch in Gmunden war das Machtzentrum habsburgischer Wirtschaftsinteressen. In Wien wurde Politik gemacht, in Gmunden wurde sie finanziert. Das Wiener Salzamt bestand bis 1824. Die bis heute bekannte Redensart, man möge sich beim Salzamt beschweren bezeichnet die Aussichtslosigkeit eines Vorhabens.

Die Salinen verbrauchten ungeheure Mengen an Holz. Als dieses knapp wurde, verlegte man die Siedepfannen nach Aussee, an die Traun, wo der Brennstoff leichter herbei zu schaffen war. Im Ausseerland dürfte das steirische Stift Rein Sole und Solequellfassungen angelegt haben. Damit wurde erstmals nach dem prähistorischen Bergbau in Hallstatt erneut in den Ostalpen unter Tag Steinsalz gefördert und Sole gewonnen. … In Aussee entwickelten sich einfache Pfannhauser zu weitgehend selbstständigen Betreibern der Sudstätten, die dann auch das Dörren des Salzes übernahmen und am Höhepunkt ihrer Macht die Nutzung der Salinen und sogar die Bergwerke pachteten: die Hallinger.

In Tirol war Hall eine bedeutende Salinenstadt. Salz begründete politische Macht und wirtschaftlicher Wohlstand. In Hall bestanden schon im 13. Jahrhundert mehrere Salzpfannen und ein Sudhaus. Außerdem waren hier die Möglichkeiten für Holztrift und Transport günstig. 1477 wurde Hall zur Münzstätte, wo man qualitätvolle Goldgulden, die Guldinger, prägte. Hingegen verdankt der Heller seinen Namen dem deutschen Schwäbisch Hall, wo damit die Pfannhauser bezahlt wurden.

Die österreichischen Salinen zählen zu den ältesten Unternehmen der Welt und seit jeher auch zu den kreativsten. Dafür zeugt unter anderem eine Sole-Pipeline zwischen Hallstatt und Ebensee, die seit 1595 besteht, weiß Alfred Komarek. Mitreißend beschreibt er komplizierte historische Zusammenhänge und technischer Details und findet eine Reihe spannender Sonderthemen. Die abenteuerlichen Transporte auf dem Wasserweg, deren Anfänge im 9. Jahrhundert liegen, zählen ebenso dazu wie ihre Ablöse durch die Pferdebahn der "privilegierten Ersten Eisenbahngesellschaft" in den 1830er Jahren. Das Biedermeier war auch die Zeit, als gekrönte Häupter, Naturliebhaber und Kurgäste das Salzkammergut für sich entdeckten - mit der Kaiserresidenz Bad Ischl als Zentrum. Andererseits verloren die beim Salzabbau und Holztransport Beschäftigten damals ihre Arbeit. Besonders in Hallstatt gehörten Not und Hunger zum Alltag. Viele Einheimische versuchten sich als, gut bezahlte, Sesselträger, die Fremde in Sänften durch die Gegend transportierten.

Die prominentesten Kurgäste waren zweifellos Erzherzog Franz Karl und seine Gemahlin Sophie. Die Ergebnisse dieser Kur sind namentlich bekannt: Franz Joseph, der spätere Kaiser, Ferdinand Maximilian und Karl Ludwig. Ischl hatte dem Hause Habsburg drei "Salzprinzen" geschenkt, und Habsburg bedachte den nunmehr weltberühmten Kurort mit dem Glanz allerhöchsten Wohlwollens.

Als "Salzkammergütler" berichtet der Autor über Bodenständiges, Abergläubisches, Kulinarisches, Sagen und Bräuche. Man lernt die trinkfesten Ausseer Trommelweiber mit ihrem Brauchgebäck, den salzigen Beugln, kennen und die venezianisch beeinflussten Renaissancekostüme der glitzernden "Flinserln". Auch düstere Kapitel finden Erwähnung, wie die Vertreibung der evangelischen Salinenarbeiter. 780 Dürrnberger sahen sich anno 1732 zur Auswanderung gezwungen. Das Schicksal der Siedler aus Dürrnberg verliert sich grau und elend in einer Fremde, die nie zur neuen Heimat wurde. Nachdem die Nationalsozialisten Kunstwerke im Wert von 70 Milliarden Schilling im Altausseer Salzberg versteckten, sollte der Stollen gesprengt werden. In letzter Minute schafften die Knappen den Sprengstoff aus dem Berg.

Die Identität Österreichs ist untrennbar mit dem Salz verbunden. Mit einer Jahresproduktion von mehr als einer Million Tonnen liegt Österreich im oberen europäischen Mittelfeld. Das staatliche Monopol endete 1995 mit dem EU-Beitritt.

hmw