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Gerhard Jelinek: Eine Frage der Herkunft#

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Gerhard Jelinek: Eine Frage der Herkunft. Familien, die Geschichte machten. Amalthea Verlag Wien. 256 S., ill., € 28.-

Familienforschung hat Konjunktur. Sich mit der eigenen Herkunft zu beschäftigen, ist spannend und oft überraschend. So hat sich auch der Jurist und Journalist Gerhard Jelinek auf die Spurensuche begeben. Sie führte ihn in die mährische Provinz und in die Sprachinsel Iglau im Sudetenland. Der Autor beschreibt eine "typische" Wiener Familiengeschichte, die relativ unbeschadet die aufregenden Zeitläufe des 20. Jahrhunderts überstanden hat. Er hat sie als Nachwort seinem jüngsten Buch angefügt. Nach dem Motto "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" erzählt es von 14 Familien, die über Generationen Geschichte schrieben.

Die erste Familie, die hier vorgestellt wird, sind die Eppensteiner, die im frühen Mittelalter gelebt haben. Diesem Geschlecht verdankt das heutige Österreich einen Teil seiner Identität. Ohne Eppensteiner kein "Rot-Weiß-Rot" Denn die schöne Geschichte der Entstehung des Bindenschilds - von Herzog Leopold V. bei der Belagerung von Akkon durch die Kreuzritter, um 1190 - ist ein Mythos. Das Banner des Babenberger-Herzogs zeigte einen schwarzen Panther auf silbernem Grund. Die Eppensteiner gelten als erstes "heimisches" Herzogsgeschlecht, das sein Eigentum und die kaiserlichen Lehen … zunächst an die steirischen Traungauer und diese wiederum nach zwei Generationen an die Babenberger, damals schon Herzöge von Österreich, vererbten. Um die erste Jahrtausendwende kontrollierten sie alle wichtigen Pässe zwischen der heutigen Steiermark und Kärnten. Die Familie erlosch 1122 mit dem Tod Heinrichs von Eppensteiner. Das rot-weiß-rote Wappen wird vererbt und kommt über Umwege an die Babenberger; später wird es die 640-jährige Herrschaft der Habsburger begleiten, ehe das Lehenszeichen 1918 zur Fahne der Republik Österreich wird.

Zwei Drittel der vorgestellten Familien sind Österreicher. Bei Familie Mozart waren der Vater Leopold, sein Sohn Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus, bekannt als Wolfgang Amadeus, und seine Tochter Maria Anna Walburga (deren Werke vom Vater nicht aufgezeichnet wurden) sowie der Enkel Franz Xaver Komponisten und Virtuosen. Leopold Mozart präsentierte seine Kinderstars an den Fürstenhöfen Europas. Nach dem Tod von Wolfgang Amadeus kümmerte sich seine Witwe um die Vermarktung des musikalischen Erbes, und sie tat dies mit Bravour. Ihr Söhnchen Franz Xaver nannte sie werbewirksam "Wolfgang Amadee fils" und reiste schon mit dem Fünfjährigen zu öffentlichen Auftritten. Bereits als Dreizehnjähriger bestritt er seinen Lebensunterhalt mit Musikunterricht. Später unternahm er Konzertreisen und erhielt lukrative Angebote, die er ablehnte. In seinen letzten Jahren führte Franz Xaver Mozart einen musikalischen Salon in Wien, der zum Treffpunkt von Künstlern und Schriftstellern wurde. Wie sein Bruder Carl Thomas blieb er ledig und kinderlos. Die direkte Linie Mozart ist 1858 ausgestorben.

Um bei der Musik zu bleiben, fällt bei den Kapitelüberschriften der Name Trapp auf. Kaum eine Familie hat das Bild Österreichs in der Welt so geprägt wie die singende Kinderschar des k. u. k. Korvettenkapitäns Georg Ritter von Trapp. Die idealisierte Familiengeschichte wird zum Drehbuch eines der erfolgreichsten Hollywood-Filme. In Österreich (und auch am großen Filmmarkt Deutschland) wird diese Sternstunde der Filmgeschichte weitgehend ignoriert. Etwa 1,4 Milliarden Menschen haben "The sound of music" bisher gesehen. Die wahre Geschichte war alles andere als friedlich. Georg Ritter von Trapp vernichtete im Ersten Weltkrieg zwölf Handelsschiffe mit 45.669 Bruttoregistertonnen. Damit zählt er zu den erfolgreichsten Kommandanten im Mittelmeer. … Trapp wird zum Kriegshelden stilisiert. Auch privat bleibt der U-Boot-Kapitän im militärischen Fahrwasser. Mit der Heirat von Agathe Whitehead machte er eine "gute Partie". Ihr Großvater gilt als Erfinder des Torpedos und besaß in Pula eine Werft für U-Boote. Nach Kriegsende zog das Paar in die Villa des Bruders der jungen Frau, das Martinsschlössl in Klosterneuburg. 1920 hatte die Familie sieben Kinder, ein Jahr später starb Agathe Trapp. Der Witwer ehelichte die Volksschullehrerin Maria Kutschera, die als Erzieherin bei den Salzburger Benediktinerinnen arbeitete, wohl kaum aus großer Liebe, aber sicher aus praktischen Erwägungen. Das Verhältnis der Kinder zu ihrer Stiefmutter blieb distanziert. Später, als sie auf Konzertreisen durch die USA unterwegs waren, lebten sie monatelang ohne festen Wohnsitz in einem Autobus. Als Chor müssen sie zusammenbleiben, zusammenleben, miteinander harmonieren. Bestrebungen, den Familienverband zu verlassen, zu heiraten und eine eigene Familie zu gründen, werden unterdrückt.

Die Menschen, die der Erfolgsautor Gerhard Jelinek umfassend mit ihren schönen wie negativen Seiten vorstellt, haben eines gemeinsam: Sie alle nutzen Chancen, prägen Werte sowie ihr Umfeld und geben ihre Erfolge weiter. Im Spannungsfeld von Genie, Erbe, Glück und Begabung … Zu diesen klangvollen Namen zählen die Fugger, die Bruegel-Familie, die Familie des Steinschneiders Miseroni, die Juweliere Köchert, die Zuckerbäcker Zauner, die Quants, die Theaterdynastie Steiner, Familie Wittgenstein, die Kennedys, Familie Porsche und der Tauernwirt Geisler.

Schon die Römer benutzten den Krimmler-Tauern-Weg als Nord-Süd-Verbindung über die Alpen. Er führt über die 2665 m hohe Birnlücke. Anno 1340 wanderte der spätere Kaiser Karl IV. hier nach Italien. 1947 wurden zwischen 5000 und 8000 Juden über den Pass nach Italien geschleust, um über Genua nach Palästina zu gelangen. Seit der Schaffung des Nationalparks Hohe Tauern ist das Krimmler Tauernhaus der einzige Bauernhof im gesamten Schutzgebiet. Derzeit steht die vierte und fünfte Generation am Herd, im Stall und in der Stube. Für Nachwuchs ist gesorgt. So endet das 14. Kapitel des lesenswerten Buches, ehe der Autor die Geschichte seiner eigenen Vorfahren erzählt.

Er schreibt: Immer legt eine Generation den Grundstein zu Wachstum, die zweite Generation baut auf und aus, schon in der dritten Generation werden die ersten Risse sichtbar, und nur wenige Familien erhalten jene Bande, wie das jahrhundertealte aristokratische Familien vermochten. … Im Alpenland werden bäuerliche Erbhöfe seit Jahrhunderten bewirtschaftet, Leben und Tradition zeitgemäß interpretiert, aber dort fällt der Apfel wirklich nicht weit vom Stamm.

hmw